Neuburg
"Wir haben keine Alternative"

Der 21-jährige Alexander Grychtol aus Neuburg hat sich für einen Einsatz in Ebola-Gebieten gemeldet

30.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:03 Uhr
Wartet auf seinen Einsatz in den Ebola-Gebieten Westafrikas: der 21-jährige Rettungssanitäter Alexander Grychtol. −Foto: Frank

Neuburg (DK) Alexander Grychtol ist Rettungssanitäter, wohnt in Neuburg und arbeitet in Eichstätt. Vor einem Jahr hat er sich für Auslandseinsätze des Roten Kreuzes gemeldet. Jetzt wartet er auf das Signal, um nach Westafrika zu fliegen. Sein Job dort: Helfer im Kampf gegen die tödliche Seuche Ebola.

Wie darf man sich jemanden vorstellen, der freiwillig in Zelten arbeiten möchte, in denen Ebolakranke auf Genesung hoffen oder ihren letzten Weg antreten müssen? Alexander Grychtol ist eher der ruhige Typ, besonnen, zurückhaltend. Er will keine große Aufmerksamkeit, muss eher überredet werden, über sich zu sprechen und stapelt lieber tief, wenn es um die Gefahr geht, die ihn erwartet. „Man steckt sich nur an, wenn man Fehler am Patienten macht, ansonsten ist das Risiko relativ gering“, sagt er.

Er ist bereit, nach Sierra Leone, Liberia oder Guinea zu fliegen, wenn er dort gebraucht wird. „Ich werde höchstwahrscheinlich da runterfliegen“, sagt er, denn dort werde jeder gebraucht. Das hat er bei einem zweitägigen Lehrgang in Würzburg gesehen. Mediziner von „Ärzte ohne Grenzen“ waren dort, Rettungssanitäter so wie er, aber auch Bürokauffleute, die sich gemeldet haben. „Die haben uns die Situation erklärt, und was Ebola überhaupt ist.“ Auch das richtige Verhalten wurde trainiert. „Wir haben Schutzanzüge anziehen dürfen. Dabei muss ein Kollege darauf achten, dass kein bisschen Haut rausschaut. Dann haben sie die Halle auf 40 Grad aufgeheizt. Wenn man da eine halbe Stunde drin ist, das ist schon heftig.“ Das Training sollte reale Arbeitsbedingungen simulieren. Auch in Westafrika wird der tägliche Einsatz nicht lange dauern. „An- und Ausziehen dauern etwa ein halbe Stunde. Eine halbe Stunde ist man dann am Patienten tätig. Man muss den Kranken vor allem viel zu trinken geben, weil sie sehr viel Flüssigkeit verlieren. Über Infusionen geht es eigentlich nicht, weil nicht genügend vorhanden sind. Und mit den Nadeln, das wäre auch sehr gefährlich. Man könnte sich selbst stechen.“

Das ist Wissen, das die Ärzte ohne Grenzen aus Westafrika mitgebracht haben, und mit dem sie die künftigen Helfer auf ihren vierwöchigen Einsatz vorbereiten. Wie so ein Behandlungszentrum aus Zelten aussieht, kann der 21-Jährige mit wenigen Federstrichen skizzieren. Der Vorraum, in dem die Untersuchung stattfindet, dann die Schleusen in die Isolierräume mit den Kranken, den Sicherheitsbereich, in dem sich das Personal aufhält, wenn es gerade nicht arbeitet. Er hat einen eigenen, bewachten Zugang.

Das größte Risiko, so schildert Grychtol, ist der Moment, in dem man die Schutzkleidung auszieht. Niemals darf sie ohne Handschuhe an der Außenseite berührt werden. „Erst kommt die Schürze runter. Dann wird die Brille abgesetzt. Dann der Mundschutz und danach die Kapuze. Die Handschuhe kommen zum Schluss dran. Bis auf die Brille – sie wird in einer Chlorlösung desinfiziert – wird alles auf dem Gelände verbrannt. Der wichtigste Lehrsatz für die Ebolahelfer: Abstand halten. Niemals ohne Schutzanzug jemanden berühren.

Als sich der 21-Jährige, der nächstes Jahr die Berufsoberschule in Neuburg besuchen will, um vielleicht irgendwann Arzt zu werden, für die Auslandsgruppe des Roten Kreuzes gemeldet hat, war Ebola kein aktuelles Thema. Damals, das gesteht er, war es auch bisschen Abenteuerlust. Und wie sieht es heute aus? „Wir haben keine Alternative. Wir müssen da runter und das an Ort und Stelle behandeln, sonst breitet sich der Virus aus.“ Auf die Frage, ob er keine Sorge hat, sich zu infizieren, gesteht er: „Ein bisschen Angst habe ich schon vor dieser Krankheit. Aber das muss auch sein, sonst wird man unvorsichtig.“

Grychtol wohnt noch bei seinen Eltern. Deren Begeisterung hielt sich anfangs in Grenzen. „Die machen sich Sorgen. Aber sie verstehen es auch. Mittlerweile unterstützen sie mich“, erzählt er.

Dass der Einsatz schwer werden wird, ist ihm klar. Das Essen bereiten sich die Helfer selbst zu. Es wird aus Deutschland geschickt. „Wir können nicht auf den Markt gehen und einkaufen. Wir können auch nicht im Hotel essen. Das wäre viel zu riskant.“ Und vom Behandlungszentrum geht es im Auto zum Hotel, um nicht ohne Schutzkleidung durch überfüllte Straßen oder über Märkte laufen zu müssen. „Zwei Meter Abstand!“ lautet die Grundregel, die dem Neuburger und seinen Kollegen eingetrichtert wurde.

Natürlich hat Grychtol auch von tödlichen Übergriffen der Bevölkerung auf die Helfer gelesen. In Guinea wurden bei einer solchen Attacke sieben Journalisten und Vertreter einer Aufklärungskampagne ermordet. Das sei auf den Mangel an Informationen zurückzuführen, schätzt der 21-Jährige. Die Situation habe sich geändert. Inzwischen bemühen sich die Regierungen, die Menschen dort aufzuklären. Ein Riesenproblem sind nach wie vor die afrikanischen Bestattungsrituale. Die Toten werden gewaschen und von vielen Händen berührt – ein lebensgefährlicher Brauch in Zeiten von Ebola, denn die Viren können durch jede Art von Körperflüssigkeit übertragen werden. Auch gebe es viel zu wenig Behandlungszentren. Die seien maßlos überfüllt, so dass Kranke weggeschickt werden müssten – und Gesunde infizieren. Der junge Neuburger ist davon überzeugt, dass viel mehr getan werden müsste. Dass eine Menge professioneller Hilfe notwendig wäre, um der Lage Herr zu werden. Nachdem er die äußeren Bedingungen nicht ändern kann, will er zumindest seinen Teil beitragen.

Nach vier Wochen werden die Teams ausgetauscht. Dann geht es zurück in die Heimat. Es folgen drei Wochen, in denen Grychtol bei sich selbst auf Krankheitssymptome wie Fieber, Kopfschmerzen oder Durchfall achten muss. Sollte der negative Fall eintreten, wählt er eine Nummer. „Ich würde wahrscheinlich in München-Schwabing eingeliefert“, schätzt er. Aber auch, wenn alles gut geht, wird es vielleicht nicht einfach. Der 21-Jährige: „Meine Sorge ist, dass die Leute nach dem Einsatz aus Angst keinen Kontakt mit mir haben wollen.“