Neuburg
Wenn die Pflege zum Kahlschlag wird

Der Verlust an Insekten und anderen Tieren drängt auf eine Neuausrichtung

28.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:09 Uhr

Ist auf Pflanzensamen angewiesen: der Stieglitz oder Distelfink. Wo die Landschaft ausgeräumt ist, findet der bunte Vogel keine Nahrung mehr. - Foto: Rolf Juergens/NABU

Neuburg/Marxheim (DK) Die Pflege, das Kurzhalten jeglichen Bewuchses an Dämmen und Wegränder, an Grabenböschungen oder Ackerrainen hat eine große Auswirkung auf die dort siedelnde Tier- und Pflanzenwelt. Der Artenschwund sollte Anlass für eine Neuausrichtung sein.

Die Funktion dieser Grün- oder Brachstreifen ist unterschiedlich. Aber für viele gilt, dass auf Hochwasserschutzdämmen möglichst kein strauchartiger Bewuchs aufkommen soll. Dort stehen die Überwachung bei Hochwasser und die Dichtigkeit der Dämme im Vordergrund. Bei Äckern und Wiesen ist es die Nutzbarkeit und an Wegen und Straßen steht das verkehrstechnisch erforderliche Freiraumprofil nicht in Frage. Die Pflegeintensität dieser Streifen, insbesondere die sich in öffentlicher Hand befindlichen ist im Hinblick auf den rasanten Artenschwund jedoch zu überdenken und an diese neue Situation anzupassen, sagt Siegfried Geißler von der Neuburger Naturschutzbehörde. Diese Grünstreifen in der Landschaft haben, je nach Größe oft hohe Biotopqualität für die Pflanzen und Tierarten, die in der Kulturlandschaft "an den Rand" gedrängt werden.

Der in den letzten Wochen vielfach beschriebene Rückgang der Insekten und der auf Insektennahrung angewiesenen Vögel verpflichte auch die Kommunen und staatlichen Institutionen, die Form und Art der Offenhaltung dieser Streifen neu auszurichten, so Geißler. In den vergangenen Jahren ist verstärkt zu beobachten, dass die Ränder von Straßen und Feldwegen häufiger mit einem Schlegelmähwerk kurz gehalten werden und dann das Mähgut auf der Fläche verbleibt. Der Chef der unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Neuburg-Schrobenhausen Siegfried Geißler: "Bei diesem hochtechnisierten Arbeitsgang mit schnell rotierenden Schlegelwalzen wird nicht nur alles Grün, sondern auch alles Getier gehäckselt." An den Donaudämmen zwischen Bertoldsheim und Marxheim und an vielen untergeordneten Straßen und Wegen war heuer sehr oft diese flächendeckende Schlegelmahd zu sehen. Wenn, wie vermehrt festgestellt wird, dieses kleingehäckselte Grüngut immer auf der Fläche verbleibt, werden diese Streifen immer artenärmer und nur die Allerweltsarten bleiben übrig.

Martin Burkhart vom Fachbereich Gewässerentwicklung des Wasserwirtschaftsamtes Ingolstadt (WWA) nennt den immensen Rückgang an Insekten in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur bedauerlich, sondern eine Katastrophe und wir sollten wo immer möglich dagegen steuern. Das WWA sieht das als einen Grund, die Deichpflege im gesamten Amtsbereich Ingolstadt zu extensivieren. An den Donau-Seitendämmen in den Abschnitten der Staustufen ist aber die Firma Uniper für die Pflegemahd zuständig. Hier wurde in diesem Jahr auf weiten Strecken eine vollständige Mahd durchgeführt und die traditionsreiche und die Artenvielfalt fördernde Beweidung mit Schafen, zum Beispiel bei Bertoldsheim stark reduziert oder eingestellt. Die Firma Uniper, die im Staubereich für die Dämme unterhaltspflichtig ist, hat auf Anfrage nur mit einer Abgabenachricht an die Fachabteilung reagiert, sich aber nicht zur Sache geäußert. Im Bereich der Staustufe Vohburg wird, so Burkhart vom WWA Ingolstadt, jedoch auf der Basis eines Pflegeplanes aus dem Jahr 1994 mittels eines weniger schädlichen Kreiselmähwerks gepflegt und das Mähgut abtransportiert. Auf allen Dämmen oder Böschungen wäre dringend das Belassen von Altgras-Vegetationsinseln verschiedener Hochstauden nötig, wo sich nicht nur viele Vögel, zum Beispiel auch die Distelfinken Samen picken können, sondern in den trockenen Stängeln der Pflanzen auch viele Insekten überwintern könnten.