Neuburg
Wechselhafte Geschichte der Juden

Buch der Historikerin Monika Müller über die Verhältnisse im Fürstentum Pfalz-Neuburg

07.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:57 Uhr

Foto: DK

Neuburg (DK) Schutzgeld, Machtspiele und mehrfache Ausweisungen - die Geschichte der Landjuden ist wechselhaft, auch in Neuburg. Die Historikerin Monika Müller hat für ihre Doktorarbeit den "Judenschutz vor Ort - Jüdische Gemeinden im Fürstentum Pfalz-Neuburg" untersucht.

Das daraus resultierende 450 Seiten starke Buch stellte sie am Montagabend im Foyer des Stadttheaters vor und gab in ihrem lebhaften und kurzweiligen Vortrag interessante Einblicke in ein spannendes Thema. Ein Thema allerdings, das wenig erforscht ist. "Jüdische Gemeinden sind ein Kontinuum in Neuburg", schickte Stadtarchivarin Barbara Zeitelhack dem Referat voraus, "aber sie tauchen nie in der Stadtgeschichte auf, werden höchstens mal kurz erwähnt". Sie freute sich, dass wichtige Ergebnisse von Müllers Arbeit nun auch in die geplante Ausstellung zu Reformation und Gegenreformation einfließen könnten. Gerhard Hetzer, Vorsitzender der Schwäbischen Forschungsgemeinschaft, sagte, die jüdische Geschichte habe ihren festen Platz in der Geschichte Schwabens.

Die Landjuden in der frühen Neuzeit hätten lange Zeit wenig Beachtung bei den Geschichtsschreibern gefunden, unterstrich Rolf Kießling, emeritierter Geschichtsprofessor der Universität Augsburg und Müllers Doktorvater. Dabei handele es sich um eine Gruppe von Menschen, die nur scheinbar am Rande der Gesellschaft lebten. Scheinbar daher, weil das Verhältnis ambivalent gewesen sei. "Sie wurden verachtet als Feinde der Christen, aber auch geschätzt als Menschen, die die Infrastruktur vorantrieben", erklärte Kießling. Mal wurden Juden unter Schutz gestellt und angesiedelt, dann wieder vertrieben. In Pfalz-Neuburg waren die Juden zeitweise ein Spielball im Machtgezerre zwischen dem Landesfürsten, dem laut Gesetz der Judenschutz oblag, und den Landständen, sprich der kommunalen Obrigkeit, die zunehmend an Macht gewann. So erklärt Müller die Ausweisung der Juden aus Pfalz-Neuburg durch Ottheinrich anno 1552 mit zwei Thesen. Motiv könnte ein Schulterschluss zwischen Landschaft und Pfalzgraf gewesen sein, um während der zweiten Einführungswelle des Protestantismus eine gewisse Ruhe zwischen den Konfessionen zu erreichen, nach dem Motto "gemeinsam gegen andere Religionen". Was ihr wichtiger erscheine, sei jedoch die These, dass Ottheinrich damit seinen Machtanspruch gegenüber den Landständen realiter wie symbolisch bekräftigte. Ursprünglich hatten Ottheinrich und Philipp sogar Interesse am Wohlergehen der Juden gezeigt - zumindest an dem der Regensburger Juden, die den beiden damals noch unmündigen Enkeln des Reichsgrafen Georg von Landshut Geld schuldeten. Um Geld ging es beim Judenschutz immer. Denn den ließen sich die Landesherren teuer bezahlen €” mit jährlichem Schutzgeld, aber auch hohen Einmalzahlungen, wenn der bewilligte Schutz auslief und erneuert werden musste. Einen Neubeginn gab es in Höchstädt, als Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm nach der Geldentwertung durch den 30-jährigen Krieg gezielt den Juden Abraham von Gundelfingen, einen Münzverleger, ansiedelte.

Von Machtkämpfen zwischen Wolfgang Wilhelm und den Landständen zeugt wiederum ein Ratsprotokoll aus Lauingen vom August 1635, als der Pfalzgraf darauf bestand, er allein habe das Recht, Juden ein- oder auszuweisen und ihre Lebensbedingungen zu bestimmen. Dass es auch ein Miteinander von Juden und Christen im Alltag gab, belegt Müller anhand eines Hilpoltsteiner Ratsprotokolls von 1732. Dabei ging es um die Klage eines Juden gegen seinen Nachbarn, ebenfalls Jude, der stattgegeben wurde. Juden nutzten also durchaus selbstbewusst die Obrigkeit, machten ihren Streit nicht innerhalb einer Parallelgesellschaft aus. In Monheim wiederum eskalierten Konflikte zwischen Juden und Christen wenige Jahre später.

Die Quellen vermittelten nur ein eingeschränktes Bild, fasste Müller schließlich zusammen, denn dokumentiert wurde nicht der normale Alltag, sondern nur auftauchende Probleme, zudem fehlte die jüdische Perspektive weitgehend. "Daher muss unbedingt reflektiert werden", mahnte sie und betonte, es habe durchaus Normalität gegeben.

"Judenschutz vor Ort - Jüdische Gemeinden im Fürstentum Pfalz-Neuburg" ist im Wißner-Verlag, unterstützt von der Schwäbischen Forschungsgemeinschaft und dem Bezirk Schwaben, erschienen, ISBN 978-3-95786-094-1, 34,80 Euro.