Neuburg
Virtuelle Geisterstadt

Jonatan Siegmund erstellt ein dreidimensionales Modell Neuburgs / Wie aus Daten Häuser werden

25.01.2012 | Stand 03.12.2020, 1:54 Uhr

Mausklick für Mausklick zum 3 D-Modell: Aus einer Strichskizze der vermessenen Daten entwickelt Jonatan Siegmund am Computer zunächst „weiße Klötze“, die später Häuser werden sollen. Dann fotografiert er die Fassaden und projiziert sie mit einem Bildbearbeitungs-Programm auf die einzelnen Flächen. - Foto: Schanz; Grafiken: Stadt Neuburg

Neuburg (SZ) Alles Leben ist ausgelöscht. Weder Mensch noch Tier bevölkern die Gassen Neuburgs. Nur die Häuser erfassen Jonatan Siegmund und sein Team in ihrem 3 D-Modell – im Auftrag der Stadt. Unsere Zeitung hat dem Geografen über die Schulter geschaut.

Am Anfang ist das Licht. Mit einem Laser tastet Jonatan Siegmund jedes einzelne Gebäude der Unteren Altstadt ab. Das Messgerät erfasst genau die Traufhöhe, die Distanz bis zur Dachrinne, und die Firsthöhe, die Entfernung zur Dachspitze. „Ich lege den Laser einfach auf meinen Bauchnabel, da weiß ich, dass ich einen Meter über dem Boden bin“, erklärt der 24-jährige Masterstudent der Klima- und Umweltwissenschaften. Der Computer errechnet aus allen Daten Striche. Millionen von ihnen durchziehen die Skizzen der Computerspezialisten in Siegmunds Studentenunternehmen. „Daraus schnitze ich dann weiße Klötze“, erzählt Siegmund. Am Bildschirm entsteht wie in einem rudimentären Holzschnitt ein 3 D-Modell aller Gebäude der Altstadt. Dann kommt die Kamera zum Einsatz. Jede einzelne Fassade lichtet der Student ab. „Die klebe ich dann auf die einzelnen Klötze drauf.“ Das Ergebnis ist beeindruckend detailgetreu.

Siegmund und sein Team sind im Auftrag der Stadt unterwegs. Die Verwaltung erhofft sich dadurch mehr Anschaulichkeit für die Entscheidungsträger. Denn wenn es um das Straßenbild geht, reichen ein paar Klicks am Computer und es lässt sich genau sehen, wie ein Bauvorhaben aussehen würde. Die Obere Altstadt ist schon komplett virtualisiert. Auf der Internetseite der Stadt Neuburg lässt sich das Modell bewundern. Nun folgt die Untere Altstadt – sie soll allerdings nur für die Verwaltung zu sehen sein.

Siegmund durchkämmt also alle Gassen, von der Oskar-Wittmann-Straße bis zur Ostermannstraße – und wird ständig angesprochen. „Die Leute sind am Anfang immer unfreundlich“, sagt er. „Aber die kriegen sich schnell wieder ein, wenn ich ihnen erkläre, warum ich das mache.“ In Zeiten von Google-Streetview und Co. sind die Menschen skeptisch geworden, wenn jemand ihre Häuser fotografieren will. Einige Hausbesitzer haben der Stadt deshalb verboten, ihre Gebäude zu erfassen.

Deshalb erklärt Siegmund ganz genau, was alles nicht zu sehen ist: Alle Menschen und alle Tiere lösche er von den Aufnahmen, ebenso alle Namensschilder und Autos. Auch die Fenster sucht er ab und verwischt alles, was darin zu erkennen ist. Gärten werden nur als grüne Flächen abgebildet. Im Modell sind auch Dachterrassen und Hinterhöfe zu sehen. Die allerdings stammten alle aus seiner Fantasie, erklärt Siegmund. „Die Schuppen und Garagen in den Hinterhöfen sind von mir frei erfunden.“ Hausbesitzer brauchen also keine Diebe fürchten, die ihren Einstieg anhand des Modells planen.