Neuburg
"Viele haben sich noch bedankt"

Die Neuburger Zahnärztin Katrin Stein-Dreßler und ihr "Urlaub" auf Kap Verde

23.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:10 Uhr

Foto: DK

Neuburg (DK) Sie liegen weit draußen im Atlantik, die Kap Verdischen Inseln. Ein Urlaubsparadies? Von wegen. Die Neuburger Zahnärztin Katrin Stein-Dreßler und ihre Mitarbeiterin haben dort der Bevölkerung zwei Wochen lang in des Wortes Sinn auf den Zahn gefühlt.

Wer aus einer modernen, technisch hochgerüsteten Praxis kommt und den Boden des afrikanischen Inselstaates Kap Verde betritt, der muss sich umstellen - und Engagement mitbringen. Katrin Stein-Dreßler, promovierte Zahnmedizinerin und ihre Fachangestellte, die 22-jährige Benjaporn Nakwatcharangkoon, haben sich bei Zahnärzte ohne Grenzen für einen Einsatz auf den Inseln beworben und den Zuschlag erhalten. Einsatzort war die Insel Santiago mit der Hauptstadt Praia. Neun Tage lang wurden von morgens bis spät nachmittags Zähne gezogen, Füllungen angefertigt und Zahnstein entfernt. "Schon in der Früh saßen 25 bis 30 Patienten vor dem Behandlungsraum und haben gewartet", erzählt die Ärztin. Geduldig war die Kundschaft. Wer Pech hatte, kam erst nach Stunden an die Reihe. "Und die haben ihre beste Kleidung angezogen, haben sich richtig chic gemacht. Das war offensichtlich ein Highlight." Ein Zahnarztbesuch ist in der ehemaligen portugiesischen Kolonie mit insgesamt rund einer halben Million Einwohnern die große Ausnahme. Den können sich nur die wenigen Reichen leisten, die arme Bevölkerung hat keinen Zugang zu einer ordentlichen zahnmedizinischen Versorgung. Entsprechend sind die Folgen. Stein-Dreßler und ihre Mitarbeiterin sahen viele schlechte Gebisse. "Es gibt dort furchtbar viel Süßigkeiten zu essen und die Kinder laufen alle mit diesen Lollys rum." Die schlechte Ernährung sei das eine Problem. Das andere, die fehlende Zahnhygiene. Am zehnten Tag ging es mit einer Dolmetscherin in eine Grundschule zu 400 Kindern. Dort wurde das Zähneputzen erklärt, es wurden gratis Zahnbürsten und Zahncreme verteilt. "Den Kindern mussten wir ausdrücklich sagen, dass sie die Zahncreme nicht essen dürfen. Die hatten so etwas vorher noch nie gesehen."

Zwei Wochen lang haben die beiden Frauen aus Neuburg kostenlos gearbeitet, haben Material für Zahnfüllungen selbst mitgebracht und Flug und Unterkunft aus eigener Tasche berappt. "In der Zeit haben wir 109 Zähne gezogen, 168 Füllungen durchgeführt und 44 Mal Zahnstein entfernt", bilanziert Stein-Dreßler. Und das mit unzureichendem Handwerkszeug. Die Organisation Zahnärzte ohne Grenzen stellt zwar transportable Einheiten zu Verfügung, doch da funktionieren nicht unbedingt alle Teile. "Die Instrumente lagen offen herum, sterilisiert wird nicht. Es gibt auch keine Einmalhandtücher und Röntgen gibt es auch nicht," erinnern sich Ärztin und Mitarbeiterin noch sehr genau. Verhältnisse, die in Deutschland undenkbar sind. "Bei uns tät' das Gesundheitsamt die Bude zusperren." Teuflisch war auch der Behandlungsstuhl, der sich nicht verstellen ließ, so dass in verdrehter und gebückter Haltung gearbeitet werden musste - bei unzureichender Beleuchtung. Schön sei die Reaktion der Patienten gewesen. "Viele haben sich noch bedankt", erinnert sich die Ärztin. Was veranlasst jemand in seinem Urlaub ohne Honorar zu so einem Einsatz? "Das wollte ich schon als junge Zahnärztin. Aber es hat sich dann aus familiären Gründen nicht ergeben. Jetzt wollten wir mal was anderes sehen. Land und Leute kennenlernen. Wir fanden es auch nicht so schlimm, wie wir gedacht hatten." Da seien schon mal Ratten rumgelaufen und auch an Kakerlaken bestand kein Mangel, aber schon nach wenigen Tagen gewöhne man sich daran, auch an den Anblick von maroden Gebäuden und kaputten Straßen. "Als ich nach zwei, drei Tagen durchs Fenster in den Hinterhof geschaut habe, fand ich es gar nicht mehr so schlimm", berichtet die Zahnmedizinerin. Gearbeitet wurde jeweils von 9 bis 13 und von 14 bis 15.30 Uhr. Um diese Jahreszeit wird es um sechs oder halb sieben dunkel. "Darum sind wir auch nicht braun geworden", lacht die Zahnärztin.

Ihren Jahresurlaub hat sie für diesen Einsatz geopfert. "Als wir zurückgekommen sind, waren wir um eine Erfahrung reicher und wieder auf dem Boden der Realität", finden Stein-Dreßler und Benjaporn Nakwatcharangkoon unisono. Aber die Beiden wollen es wieder machen. "2019 oder 2020. Dann vielleicht Mittel- oder Südamerika", kündigen die freiwilligen Helfer aus Neuburg an.