Neuburg
Vater versus Sohn

Ensemble del Arte analysiert die Musik der Familie Bach

26.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:25 Uhr

Der Flötist (und Dirigent) Ariel Zuckermann brilliert mit Bach mal zwei. - Foto: Heumann

Neuburg (lm) Das Ensemble del Arte in seinem angestammten Metier, als reine Streicherformation, unterwegs im Kernland der Kammermusik, ganz zu Diensten der Familie Bach, nach heutiger Gepflogenheit eher schlank besetzt. Da gab es Ovationen voran für den glänzend aufgelegten Solisten Ariel Zuckermann auf der Flöte, dem auch die Leitung oblag.

Vater versus Sohn: Heute eher schwerer nachvollziehbar, dass einst zu beider Lebzeiten der Sohn Carl Philipp Emanuel Bach der bekanntere war als sein Vater Johann Sebastian Bach. Wirklich so schwer nachvollziehbar? Wär's am Samstag nach dem Konzert im wie stets beim Ensemble del Arte stark besuchten Kongregationssaal zur Abstimmung gegangen: Jede Wette darauf, auch da hätte spätestens nach dem mit aller fulminanten Expressivität dargebotenen d-Moll-Flötenkonzert der Jüngere gewonnen.

Auf jeden Fall war dieser direkte Vergleich reizvoll, aufschlussreich, konzertantes Vergnügen wie ganz nebenbei musikgeschichtlicher Anschauungsunterricht obendrein. Noch so viel Theorie aber wird nie ganz das Genie des solitären Johann Sebastian Bach erklären können, wie jemand strengsten Formgesetzen gehorchend solch gleichermaßen archaisch wie nicht selten anarchisch freie Musik schreiben konnte. Auf solch Kulminationspunkt kann es nur völlig anders weitergehen. Und für diesen Aufbruch steht Carl Philipp Emanuel Bach.

Das gesellschaftliche Gefüge, das dem Vater gewissermaßen noch und auch diesem gelegentlich schon lästiges Fundament war, funktioniert jetzt endgültig nicht mehr widerspruchsfrei. Und genau davon erzählt CPhE Bachs Flötenkonzert in d-Moll exemplarisch. Das einleitende Allegro gehorcht noch höfischer Konvention, schließlich war sein Schöpfer in so exponierter Stellung, den selbst flötenspielenden Preußenkönig dabei am Cembalo zu begleiten. Sinnigerweise war denn auch das Cembalo das zweite Soloinstrument des Abends mit dem Solisten Shalev Ad-El. Das Largo dann, elegisch, eloquent, elegant, entspricht wohl am meisten der Mode jener Zeit. Gepflegte Konversation, geistvoll, ein bisschen Emotion, aber stets mit viel Niveau wird hier in Tönen gemacht. Dass es auch anders geht, dass die neue Zeit auf viele dieser Konventionen und vielleicht auch auf den Stand, der diese vertritt, verzichten kann: Wie ein Derwisch fegt das finale Allegro, aufbegehrend, spritzig, eruptiv. Eine neue Zeit: CPhE Bach ahnt sie, dient der alten.

Zwischen den Polen "historisch informiert" und "romantisch" gehen das Ensemble del Arte und Ariel Zuckermann ihren eigenen Weg durchwegs forcierter Tempi. Dem Einwand, bräuchte voran des Vaters Musik nicht manchmal mehr Luft zum Atmen, gibt Ariel Zuckermann die spieltechnisch brillanteste Antwort: Auch nicht mehr Luft als er für sein exorbitantes Spiel!