Neuburg
Über Konfessionen hinweg

Warum die Pfarrer Kohler und Schiller zum ökumenischen Erzählcafé einladen

27.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:25 Uhr

Humorvolle Gastgeber: Der katholische Stadtpfarrer Herbert Kohler und Pfarrer Steffen Schiller von der evangelischen Christuskirche freuten sich über zahlreiche Teilnehmer am Erzählcafé, die zudem lebhaft diskutierten. - Foto: Hammerl

Neuburg (DK) Es ist noch gar nicht so lange her, dass Töchter katholischer Familien von den Eltern zu hören bekamen: "Mit dem Lutherzipfel wollen wir nichts zu tun haben", wenn sie einen evangelischen Freund heimbrachten. Umgekehrt gab es das natürlich auch.

Wenn die Pfarrer Herbert Kohler und Steffen Schiller Jubelpaaren zur Goldenen oder Diamantenen Hochzeit gratulieren, bekommen sie unglaubliche, oftmals hochemotionale Geschichten zu hören. Ungemein berührende Geschichten, ganz besonders dann, wenn es um konfessionsverbindende Paare geht, wie es heute heißt, wenn die Ehepartner verschiedenen Konfessionen angehören. "Wir haben uns gedacht, es wäre toll, wenn Sie diese, manchmal richtig heftigen Geschichten nicht nur uns, sondern sich gegenseitig erzählen würden", erklärte Kohler, wie er und sein evangelischer Amtsbruder auf die Idee zum Ökumenischen Erzählcafé gekommen waren, das nun rund 60 Gäste in die Rennbahn lockte. Eine Zahl, mit der die beiden keineswegs gerechnet hatten. Und auch die Bereitschaft, das Mikrofon in die Hand zu nehmen und die eigene Geschichte oder selbst Miterlebtes preiszugeben, war enorm hoch. Vielleicht auch deshalb, weil sich rückblickend vieles mit Humor nehmen lässt.

Der Spruch von Hildegard Sprenzel-Wackers Mutter, "dass so ein netter Mann evangelisch sein muss" über den Vikar, mit dem die Tochter sich gemeinsam um eine ledige Mutter aus dem Donaumoos und deren Kind gekümmert hatte, gehörte beispielsweise dazu, nicht aber die Geschichte dahinter. Jenes ledige Kind nämlich sollte im Krankenhaus getauft werden, aber niemand wollte es halten. Das empörte Sprenzel-Wacker, die damals Praktikum auf der Neugeborenenstation machte, sehr. Sie hielt das Baby zur Taufe. "Meine Eltern sagten gar nichts gegen meinen evangelischen Mann", erzählte Paula Schäfer lachend, "denn sie waren froh, dass ich einen anderen los war". Geheiratet wurde aber katholisch, denn ihr Mann wollte nicht, dass sie aus ihrer Kirche ausgeschlossen würde. Was sie selbst auch nicht verkraftet hätte, wie sie ergänzte: "Dann hätte ich nicht geheiratet". Hochamüsant waren auch die Beiträge der Pfarrer. Schiller schilderte den versehentlichen Besuch eines katholischen Gottesdienstes, in dem er nicht wusste, wann er stehen solle oder ob er überhaupt knien dürfe und am Ende erleichtert allen Umstehenden die Hand gab und "Auf Wiedersehen" sagte - beim Friedensgruß. Kohler erinnerte sich an seine Heimatstadt Immenstadt, wo er in einer Straße lebte, wo es nur Katholiken gab. Mit einer Ausnahme: "Der Zahnarzt, doppelt unangenehm". Eine frühere Schülerin der evangelischen Marstallschule erzählte, dass Schülerinnen der Maria-Ward-Schule zu ihr sagten: "Ihr geht mit Jungs in die Schule, ja pfui Deifi", was sie lachend kommentierte: "Ich wusste gar nicht, wofür ich mich schämen sollte".

Bei allem Humor wurde aber auch deutlich, dass die Haltung der Kirchen, vor allem der katholischen, ihren Gläubigen gegenüber tiefe Wunden geschlagen hat. Da war die Geschichte des Katholiken, der evangelisch geheiratet hatte und auf dem Sterbebett zu hören bekam, seine Ehe sei nicht gültig, er solle noch mal katholisch heiraten. Er trat stattdessen aus und starb am nächsten Tag. Pfarrer Schillers katholischer Vater, dessen Frau bei der Hochzeit nicht unterschreiben wollte, dass die Kinder katholisch erzogen würden, weshalb er keinen Dispens erhielt, hatte seine eigene Protestmethode: Er zahlte die Kirchensteuer immer erst, wenn ihm Pfändung angedroht wurde.

Es habe sich in den vergangenen Jahrzehnten viel zum Positiven verändert, letztlich käme es aber immer auf die Menschen an, lautete das einhellige Fazit nach zweieinhalb Stunden Erfahrungsaustausch mit gelegentlichen Exkursen ins Eingemachte der Gegenwart. Nein, heute werde kein Katholik mehr bestraft, wenn die Kinder nicht katholisch getauft würden, stellte Kohler auf entsprechende Fragen klar. Er müsse nur unterschreiben, dass er seinen Glauben in die Ehe einbringe, ihn aber nicht durchsetzen, wenn das den Ehefrieden gefährdete. Udo Leitenstern wollte wissen, ob es Sünde sei, in der "falschen" Kirche zur Kommunion zu gehen, diskutiert wurde dann noch die Kommunion für Wiederverheiratete. Es bliebe Geschiedenen, die wieder heiraten wollten, nur die evangelische Trauung, meinte ein Zuhörer, und Schiller beeilte sich klarzustellen, dass es dafür auch eines Gesprächs und der Reue wegen des gebrochenen Versprechens bedürfe. "So lax sind wir nun auch nicht", meinte er.