Neuburg
Mildes Urteil für tödliche Unfallflucht

Berufskraftfahrer kommt am Amtsgericht mit einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung davon

10.12.2014 | Stand 02.12.2020, 21:53 Uhr
Der 50-jährige Lastwagenfahrer muss sich vor dem Neuburger Amtsgericht verantworten. Links sein Verteidiger Martin Kämpf. −Foto: Foto: Schanz (Archivfoto)

Neuburg (DK) Das Neuburger Schöffengericht unter Vorsitz von Richterin Celina Nappenbach hat gestern den Todesfahrer von Rohrbach zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Außerdem muss der 50-Jährige eine Geldauflage von 4000 Euro zahlen.

Herbert Z. (Name geändert) nahm das Urteil so emotionslos entgegen, wie er auch die beiden Verhandlungstage verfolgt hatte. Dabei verließ er gestern das Neuburger Amtsgericht nach der Urteilsverkündung freien Fußes – was nicht unbedingt zu erwarten war, immerhin war ein Mensch ums Leben gekommen.

Schuldig der fahrlässigen Tötung und der Unfallflucht: Die beiden Schöffen und die Richterin sahen es zweifelsfrei als erwiesen an, dass der Berufskraftfahrer am 17. Dezember 2013 kurz vor 14 Uhr auf der Staatsstraße 2232 zwischen Geisenfeld und Pfaffenhofen bei Rohrbach den Fußgänger Martin Wittmann mit seinem Laster erfasst hat. Das Opfer war laut Gerichtsmedizinern sofort tot, blieb im Graben liegen und wurde erst am nächsten Morgen gefunden. Herbert Z. war einfach weitergefahren.

Wie konnte es dafür eine Bewährungsstrafe geben? „Das Urteil soll auf keinen Fall nach außen so wirken, dass man dafür ungeschoren davonkommt“, warnte Richterin Celina Nappenbach vor einer Bagatellisierung, immerhin handele es sich um eine schwere Straftat. Doch was die Kernfrage des Verfahrens angeht, entschied sich das Schöffengericht für den Grundsatz: Im Zweifel für den Angeklagten.

„Es tut mir extrem leid, dass ich einen Menschen totgefahren habe“, sagte Herbert Z. in seinem letzten Wort. Er gab vor Gericht zwar zu, während der Fahrt auf seiner Tour bei Rohrbach einen Schlag wahrgenommen zu haben, doch bestand er darauf, er habe gedacht, ein Baustellenschild erwischt zu haben (wir berichteten). Letztlich konnte man ihm nicht das Gegenteil beweisen.

Am gestrigen zweiten Verhandlungstag sagten mehrere Zeugen aus, darunter auch eine Bekannte des Angeklagten aus München. Sie bestätigte, dass Herbert Z. am Abend des Unfalles noch bei ihr zu Besuch war – die Ermittler hatten den Verdacht, er könnte in der Dunkelheit noch einmal zum Unfallort bei Rohrbach zurückgekehrt sein. Der Chef der Spedition bestätigte im Zeugenstand, dass sein Fahrer ihn kurz nach dem Unfall angerufen, den Schaden gemeldet und von einem Zusammenstoß mit einem Baustellenschild geredet habe. Die Chefin sagte aus, Herbert Z. sei auch Wochen später bei dieser Version geblieben, als sie ihn nach Medienberichten mit dem tödlichen Unfall bei Rohrbach konfrontiert habe. „Er hat immer gesagt: ,Nein, es war ein Baustellenschild’“, so die Unternehmerin.

Weitere Zeugen berichteten davon, das Opfer Martin Wittmann noch kurz vor dem Unfall in Fahrtrichtung laufend gesehen zu haben. Mehrere berichteten davon, den dunkel gekleideten Mann im Gegenlicht erst spät erkannt zu haben. „Ich weiß das noch genau, weil ich das unglaublich gefährlich fand“, sagte eine Frau aus der Gegend.

Staatsanwältin Birgit Piechulla stellte allerdings klar, dass es Martin Wittmanns gutes Recht gewesen sei, zu Fuß am Fahrbahnrand unterwegs zu sein, wenn auch in verkehrter Richtung. Außerdem verbannte sie alle Spekulationen über einen Suizid oder alkoholbedingtes Schwanken ins Reich der Phantasie. „Der Angeklagte hat das Opfer vollkommen übersehen“, sagte Piechulla. Entweder er sei geblendet gewesen – dann hätte er abbremsen müssen – oder er sei unachtsam gewesen: „Ein Pflichtverstoß liegt in jedem Fall vor. Der Tod des Herrn Wittmann wäre bei angemessenem Verhalten vermeidbar gewesen“, so die Staatsanwältin. Die notdürftige Reparatur der Schäden wertete sie als „Verschleierungshandlung“: Spätestens zu diesem Zeitpunkt habe er nicht mehr von einer Kollision mit einem Schild ausgehen können. Piechulla forderte 14 Monate Haft. Eine Bewährungschance habe sich der Angeklagte trotz seiner bisherigen weißen Weste verspielt: Nachdem er aus der Haft entlassen worden war und sein Führerschein sichergestellt war, wurde Herbert Z. im September ohne Fahrerlaubnis am Steuer erwischt.

Das Plädoyer des Verteidigers Martin Kämpf basierte darauf, die vielen Unbekannten in dem Fall hervorzuheben. „Martin Wittmann eine Mitschuld in die Schuhe zu schieben, liegt mir fern, aber wir wissen nicht, wo genau er unterwegs war, ob es einen Ausfallschritt gegeben hat“, so der Rechtsanwalt. Er forderte Freispruch vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung und eine Geldstrafe für die Unfallflucht.

„Der Tod eines Menschen kann von keinem weltlichen Gericht ausgeglichen werden“, sagte Richterin Nappenbach. „Das Gericht hat sehr lange überlegt über die Frage der Bewährung.“ Letztlich entschied man sich dafür, auch weil der Angeklagte sozial gut verankert sei. Der 50-Jährige, der momentan als Lagerist arbeitet, muss noch für 13 Monate – insgesamt 20 Monate – auf seinen Führerschein verzichten. Sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung können noch Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen.