Neuburg
Pure Spielfreude

Geiger Benjamin Schmid und Pianistin Ariane Haering entfachen Beifallssturm

15.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:48 Uhr

Überwältigendes Virtuosentum: Der Geiger Benjamin Schmid (l.) riss zu Begeisterungstürmen hin. Applaus auch vom Dirigenten Ariel Zuckermann für die Pianistin Ariane Haering. - Fotos: Heumann

Neuburg (lm) Mächtiger hat sich das seinen Heimvorteil genießende Ensemble del Arte selten in Szene gesetzt. Frenetischer Jubel galt auch dem Geiger Benjamin Schmid; sein Spiel hatte Überwältigungscharakter.

Die Beifallsstürme am Samstagabend im Kongregationssaal wollten gar nicht verebben. Dabei wäre eher verblüfftes Staunen angesagt gewesen: All das (bis auf die Zugabe des Solisten) hat ein 13- oder 14-Jähriger geschrieben! Gut, der Junge kam aus wohlstsituiertem Hause, erfuhr mehr Unterstützung und Förderung, als selbst unter biedermeierlichen Bildungsbürgern üblich. Da kaufte der Vater, damit dieser sich auch als Dirigent versuchen konnte, dem Buben schon mal ein ganzes Orchester für häusliche Übungszwecke ein. Eine schöne Vorstellung, und die Zuhörer im voll besetzten Kongregationssaal wurden Zeuge, wie es im Hause des adoleszenten Felix Mendelssohn-Bartholdy hergegangen sein mag. Es waren sicher besonders günstige Verhältnisse, aber erinnert man sich selbst zurück, wie viel pubertären Unsinn man so produzierte.

Da bedient sich einer, 14-jährig schon bei seiner zehnten Sinfonie, höchst gebildet und respektabel stilsicher der Tradition - und bei aller Grazie gelingt bereits hier die Überwindung eines nur galanten Stils. Noch ist es mehr Spielerei über einen netten Einfall als eine sinfonische Durchführung. Aber Gehalt und Bedeutsamkeit sind die eine Sache, was gelegentlich besser sogar ankommt die andere. Und da kann schwerlich etwas mehr punkten als das d-Moll-Doppelkonzert. Es bedient sich durch die Bank einfachster kompositorischer Mittel, Doppelungen, Dreiklang-Akkorde, um desto mehr die Wirkung einer im Grunde singulären und dann effektvoll variierten Melodielinie spektakulär virtuos zu potenzieren. Klavier und Geige scheinen sich im launigen Ehrgeiz gegenseitig noch ausstechen zu wollen.

Nur zu gern nimmt man da in Kauf, dass das Solisten-Ehepaar Benjamin Schmid und Ariane Haering daraus eine ziemliche Privatangelegenheit macht, bei der das Ensemble del Arte weiters nicht stört. Zu dem Zeitpunkt ist sowieso längst entschieden, dass der Abend voran dem Salzburger Geiger gehört, der die Gunst der Stunde nutzt, dass da, ganz ähnlich wie zuvor schon in dem Solokonzert in gleicher Tonart, nicht viel Interpretation im Sinne einer thematischen Auseinandersetzung verlangt ist, sondern einfach pure Spiellust. Dank stupender Technik und viel improvisatorischem Gespür gelingen scheinbar mühelos die wunderbarsten Läufe, die über die Saiten der hell tönenden Stradivari förmlich zu gaukeln scheinen.

Dirigent Ariel Zuckermann am Pult eines an diesem Abend vornehmlich, indes höchst umsichtig dienenden Ensemble del Arte, reagiert feinnervig auf so viel Virtuosentum, das in vollen Zügen den Geist eines Nicolo Paganinis zu atmen scheint. Dessen große Zeit setzte gerade ein, als auch der junge Mendelssohn zu komponieren begann. Selbst wird er ihn 1823/24 noch nicht als Geiger erlebt haben, als er seine schmissige Musik schrieb, Kenntnis bereits von den gerade im Druck erschienenen Paganini-Stücken scheint im wohl sortierten Mendelsohn'schen Haushalt jedenfalls gut vorstellbar. Die Folgen solch außergewöhnlicher "Jugendsünden" so pulsierend wieder zu erleben, war einfach eine Freude.