Neuburg
Ohne Ehrenamtliche wär’s chancenlos

Landrat droht, Asylbewerber abzuweisen – OB fordert, den Zustrom zu stoppen – Ab Dezember 39 Flüchtlinge pro Woche

24.11.2015 | Stand 02.12.2020, 20:30 Uhr

Foto: Klaus Peter Frank

Neuburg (DK) Ohne Perspektive auf eine dauerhafte Unterbringung will Landrat Roland Weigert (FW) die Zwangszuweisung von Asylbewerbern nicht mehr akzeptieren. Neuburgs Oberbürgermeister sprach sich am Montag für ein Moratorium und eine gesamteuropäische Lösung aus.

Die nicht sehr zahlreich besuchte Neuburger Bürgerversammlung im Kolpinghaus nahm Landrat Roland Weigert (FW) zum Anlass, über die Flüchtlingssituation zu sprechen (wir berichteten). Weigert referierte über Zuwanderungsprognosen, die immer wieder nach oben korrigiert worden seien. Heuer werde man bundesweit die Millionengrenze wohl durchbrechen. Ende des Jahres dürften 1500 Flüchtlinge im Landkreis leben, ein Jahr später werden es wohl 3500 sein. Die Regierung von Oberbayern teilte dem Landrat gestern mit, dass er ab Dezember nicht mehr 28 Menschen pro Woche für die dezentrale Unterbringung zugewiesen bekommt, sondern 39. „Das Thema der nächsten Jahre ist die Integration“, sagte Weigert. „Ich werde Zwangszuweisungen zurückweisen, wenn ich keine gesicherte, dauerhafte Anschlussunterbringung habe.“ Die Beschlagnahme von kommunalen Turnhallen oder Vereinsheimen zur Unterbringung lehnte der Landrat ab. „Das wäre eine verheerende Situation für die Gemeinschaft. Darum will ich das nicht.“ Mit Blick auf die Landesgrenzen und die Folgen auch für seinen Wirkungsbereich sagte Weigert: „Das es so nicht weitergehen kann, das ist auch klar.“

In seltener Übereinstimmung bewertete auch Neuburgs Oberbürgermeister Bernhard Gmehling (CSU) die Situation. Er fordert ein Moratorium, „um den Zufluss nach Deutschland zu stoppen, bis eine gesamteuropäische Lösung gefunden ist. Wegscheid, Freilassing, Passau, die werden überrollt. Im Moment läuft da alles aus dem Ruder, das können wir uns gar nicht vorstellen.“

In Neuburg sind es aktuell 662 Asylbewerber, die dauerhaft in der Gemeinschaftsunterkunft oder vorübergehend im Gebäude IV der ehemaligen Lassigny-Kaserne untergebracht sind. 750 000 Euro hat der Landkreis investiert, um zwei Kasernengebäude für die Noterstaufnahme bewohnbar zu machen. Dieses Geld, damit überraschte der Neuburger Rathauschef, bekomme der Kreis von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) erstattet. Die Nachricht stamme von Bundestagsabgeordnetem Reinhard Brandl (CSU). Diese Aussage konnte Weigert gestern im Gespräch mit Brandl allerdings nicht verifizieren. „Es gibt da nichts Neues“, teilte er auf Anfrage mit.

Mit den beiden Kasernengebäuden hat der Landkreis einen wirksamen Puffer in zentraler Lage. Schwierig gestaltet sich weiterhin die dezentrale Unterbringung der Migranten in den Gemeinden. 72 Grundstücke und 210 Wohnungen wurden dem Landkreis angeboten. 63 davon wurden unter anderem aus baurechtlichen Gründen abgelehnt. 13 Häuser und Wohnungen sowie 22 Grundstücke werden noch geprüft. Bei acht laufen die Mietverhandlungen. 20 Mietverträge wurden abgeschlossen, ein Mietvertrag vom Vermieter gekündigt und 146 Angebote wurden von den Vermietern wieder zurückgezogen, „weil mit der Nachbarschaft geredet worden ist“, sagte Weigert. Er projizierte das anonymisierte Schreiben eines potenziellen Vermieters auf die Leinwand, der sich nach Rücksprache mit Familie und Freunden und angesichts von Anfeindungen und Brandanschlägen auf private Objekte entschieden hat, von einer Vermietung an Asylbewerber abzusehen.

Derzeit leben 74 unbegleitete minderjährige Jugendliche im Landkreis. 61 davon in Neuburg, acht in Bergheim, zwei in Schrobenhausen und drei in anderen Gemeinden. Ihnen werde ein Berufsintegrationsjahr angeboten, und im zweiten Jahr versuche man „sie so weit hinzubringen, dass sie eine Lehre beginnen können“, berichtete der Landrat.

In seiner Gesamtschau ging Roland Weigert auch auf die Belastung seiner Mitarbeiter im Amt ein und dankte ausdrücklich den Ehrenamtlichen von BRK und THW sowie all jenen, die als Bürger außerhalb einer solchen Organisation mithelfen, „sonst hätten wir nicht den Hauch einer Chance“.