Neuburg
"Ein Nationalpark Donau-Auen wäre Unsinn"

Naturfilmer Günter Heidemeier vergibt im Interview ein mangelhaftes Prädikat an die heimischen Wälder am großen Fluss

15.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:41 Uhr
Alles eine Frage der Perspektive: Günter Heidemeier wehrt sich dagegen, die Wälder bei Neuburg allzu idyllisch zu illustrieren - er betont immer wieder, man müsse das Gesamtbild betrachten, und dazu gehört auch, dass das Gewerbe direkt in den Wald ragt, die Landschaft massiv vom Menschen beeinflusst ist, der Flusslauf kerzengerade eingepfercht ist. −Foto: Schanz

Neuburg (DK) Kaum jemand kennt die Wälder entlang der Donau bei Neuburg besser als der Naturfilmer Günter Heidemeier. Sechs Jahre lang hat er bei Tag und bei Nacht über und unter Wasser gedreht und die künstliche Dynamisierung der Flussaue bei Grünau dokumentiert.

Im Auftrag des Wasserwirtschaftsamtes Ingolstadt begleitete der 74-Jährige die ersten künstlichen Flutungen des Ottheinrichbaches bei Grünau und die daraus resultierende sogenannte "Renaturierung" der Flussaue. Warum er einen Nationalpark Donau-Auen für Unsinn hält, erklärt er im Interview.

 

 

Herr Heidemeier, Sie haben sechs Jahre lang im Wald an der Donau gefilmt, was haben Sie gefunden?

Günter Heidemeier: Ich war intensiv und auf der Suche nach Besonderheiten - aber ich habe eigentlich nichts gefunden. Bei der Tierwelt nicht - und auch von der Pflanzenwelt, die ja von einigen Wissenschaftlern untersucht wurde, ist mir nichts bekannt. Ich habe sehr viel Schönes gefunden, aber nichts wirklich Besonderes. Bei den Flutungen hat man gesehen, was passieren würde, wenn die Donau nicht so eingeengt würde. Diese Simulierung der Hauptkriterien einer Flussaue am Ottheinrichbach bei Neuburg war sehr erfolgreich, besonders für die Fische. Aber welche Bedeutung hat das kleine Teilstück für die weitere Umgebung? Aus meiner Sicht ist das nur ein Lehrbeispiel, ein kleines, künstlich gesteuertes Experiment, keine natürliche Flussaue.

 

Entstanden sind aber doch wunderschöne Aufnahmen von Schätzen der Natur, wie amphibischen Pionierarten oder dem Fischadler . . .

Heidemeier: Den Fischadler kann ich auch hier an der Altmühl filmen, dafür braucht man keinen Nationalpark. Ein Nationalpark ist laut Definition ein großes, zusammenhängendes Gebiet, von Menschen nicht oder kaum beeinflusst, eine besonders schöne Landschaft mit schützenswerten Arten bei Tieren und Pflanzen.

 

Sind Sie also gegen einen Nationalpark Donau-Auen?

Heidemeier: Diese Frage stellt sich mir so nicht. Ich frage mich immer, wieso man jetzt sagt, wir brauchen einen dritten Nationalpark. Das ist von vorn herein der falsche Weg. Es müsste doch eine tolle Landschaft, etwas Schützenswertes geben, und dann müsste man sagen: Das machen wir zum Nationalpark. Nicht anders herum.

 

Also stelle ich die Frage anders: Wären die Wälder entlang der Donau bei Neuburg eines Nationalparks würdig?

Heidemeier: Also sie erfüllen alle nicht das wesentliche Kriterium: Dass sie vom Menschen unbeeinflusst sind. Bei Neuburg wächst das Gewerbegebiet direkt in den Wald. Schon allein das macht doch schon deutlich, dass man aus so etwas keinen Nationalpark machen kann. Haben wir hier ein Gebiet, das unbedingt unter Schutz gestellt werden muss? Ich sehe das nicht. Allein bei der Größe scheitert es schon.

 

Sie halten die Debatte also für nicht gerechtfertigt?

Heidemeier: Ich kann das überhaupt nicht nachvollziehen. Die Staatsregierung überlegt sich, wir brauchen einen dritten Nationalpark, und dann schickt man die Umweltministerin los, sie soll einen suchen. Ich habe den Eindruck, die Debatte richtet sich ausschließlich danach, wo der geringste Widerstand ist. Mit dem vielen Geld sollte man lieber Naturräume schützen, die es verdient haben.

 

Sie kennen auch den Nationalpark Donau-Auen bei Wien: Wo liegt der Unterschied?

Heidemeier: Da habe ich nicht den Überblick, deswegen will ich dazu nicht allzu viel sagen. Aber dort haben wir zunächst einmal die Größe des Gebiets, und wir haben eben doch noch eine natürliche Landschaft. Natürliche Auen, die sich natürlich fluten und wieder entfluten. Dort ist das Hauptkriterium einer Aue erfüllt. Hier bei Neuburg nicht - aber auch in gar keiner Weise.

 

Die Isarauen sind ebenfalls als Erweiterung im Gespräch.

Heidemeier: Aber wo ist denn da die Verbindung?

 

Die Donau, der Fluss wäre die Verbindung.

Heidemeier: Aber schauen Sie sich doch mal die Donau an. Die Donau ist auf dem Wasser und neben dem Wasser wirklich intensivst vom Menschen beeinflusst.

 

Die künstliche Dynamisierung bei Grünau, das Ramsar-Vogelschutzgebiet bei Bertoldsheim, die naturnahen Wälder bei Burgheim: Alles nicht ausreichend für einen Nationalpark?

Heidemeier: Ich frage mich eben: Was ist das Wesen eines Nationalparks? Und das sehe ich hier nirgends. Nicht mal ansatzweise. Wenn man sich allein den Wald bei Grünau anschaut, wo der Wittelsbacher Ausgleichsfonds aktuell sehr viel Holz einschlägt. Die Bewirtschaftung ist sein gutes Recht. Das steht aber doch dem Charakter eines Nationalparks entgegen, der einen natürlichen Zustand erhalten soll. Wenn ich mir vorstelle, da schicke ich jemanden durch und sage, das ist ein Nationalpark, das wäre lächerlich. Das ist aus meiner Sicht Unsinn.

 

Aber gerade solche Arbeiten wären in einem Nationalpark ja passé . . .

Heidemeier: Es gibt wenige Gebiete, die so intensiv vom Menschen beeinflusst sind. Außerdem ist der Tourismus ein fester Bestandteil des Nationalparks. Er ist mehr Schaukasten als Schutzgebiet. Aber hier hat man nichts, was man Auwald nennen könnte. Es ist reines dummes Zeug, wenn einer sagt, wir müssen die heimischen Auwälder schützen. An der Oder soll es noch welche geben, aber hier? Man sollte das Geld besser dafür ausgeben, wirklich Schützenswertes zu schützen. Ich habe viele Nationalparks in anderen Ländern bewandert. Wenn man die in Relation zu dem angedachten Gebiet stellt, schüttelt man den Kopf.

 

Sie haben Ihre Filme auch bei Befürwortern eines Nationalparks Donau-Auen in Neuburg gezeigt. Wie reagieren die Menschen?

Heidemeier: Ich sage immer: Ich zeige euch, wie ich das sehe und dann ist es eure Sache, zu entscheiden, ob das ein Nationalpark werden soll. Und ich habe noch niemanden gefunden, der sich hinterher getraut hätte zu sagen: ja.

 

Was wäre aus Ihrer Sicht der richtige Weg?

Heidemeier: Ich bin kein Gutachter, aber man könnte als Alternative die Gebiete entlang der Donau unter Naturschutz stellen. Das wäre erheblich billiger und effektiver.

 

Das Gespräch führte Sebastian Schanz

Zur Person

Günter Heidemeier (74) ist Naturfilmer mit Leib und Seele. Viele Lehrfilme über die heimische Flora und Fauna, die in deutschen Klassenzimmern über die Leinwand flimmern, stammen aus seinen teuren Kameras. Der studierte Physiker aus Eichstätt hat zwischen 2006 und 2012 im Auftrag des Wasserwirtschaftsamtes Ingolstadt die Dynamisierung der Auenlandschaft bei Grünau verfolgt: Dort wurde und wird der Wald regelmäßig künstlich mit Donauwasser geflutet. Die Auswirkungen auf die Umwelt und die Reaktion der Tier- und Pflanzenwelt hat Heidemeier auf Film gebannt. Ein Projekt, das den 74-Jährigen bis heute sehr begeistert. | szs