Neuburg
Mit der Kutsche in die Mongolei

Die Schweizer Irene Reiser und Martial Roulin reisen zu den Nomaden und machen Halt in Neuburg

24.04.2015 | Stand 02.12.2020, 21:23 Uhr

Foto: Tanja Stephan

Neuburg (DK) Sie haben alles hinter sich gelassen, um sich auf eine fünfjährige Reise zu den Nomaden in der Mongolei aufzumachen. Die Schweizer Schäfer Irene Reiser und Martial Roulin fahren mit einer Kutsche die Donau entlang und sind am Freitag in Neuburg angekommen.

Wo Irene Reiser und Martial Roulin auftauchen, gibt es ein großes Hallo: Kindergartenkinder winken aus dem Fenster, an der Tankstelle wird schnell das Fotohandy gezückt. Der erste Weg in Neuburg führt sie direkt zum nächsten Händler, bei dem es Pferdefutter zu kaufen gibt. Stute Altesse und Wallach As haben Hunger, schließlich leisten sie auch schwere Arbeit: Sie ziehen die geschlossene Kutsche, in der das ganze Leben der Schweizer verstaut ist. „Wir planen unseren Weg abhängig davon, wo es Gras und Wasser für unsere Pferde gibt“, sagt Reiser und streicht As über die Mähne.

Die beiden Schäfer – sie aus dem Schweizer Jura, er aus der Nähe von Lausanne – haben sich 2013 kennengelernt. „Wir haben viel gearbeitet, ohne Urlaub“, erzählt Roulin mit französischem Akzent. „Wir haben Zeit gebraucht, nur für uns.“ Reiser, die am Donnerstag ihren 54. Geburtstag gefeiert hat, ergänzt: „Gerade, wenn man 50 ist, hat man das Leben noch mal vor sich.“ Die Idee, die mongolischen Nomadenschäfer zu besuchen, kam ihnen im Herbst. „Weil diese Kultur bedroht ist“, erklärt der 51-jährige Roulin. „Es gibt ein klimatisches Problem, sie finden kein Gras mehr. Und diese Kultur wird in ihrem Land nicht anerkannt.“

Die Vorbereitungen haben nur einen Monat gedauert – im Oktober waren die beiden startklar. Die Route haben Reiser und Roulin nur grob geplant. „Bis zum Schwarzen Meer wollen wir der Donau folgen, weil hier alles flach ist“, sagt Reiser. Später soll es der Seidenstraße entlang gehen, weitere Ziele sind die Türkei, Armenien, vielleicht mit dem Schiff über das Kaspische Meer. „Es muss ein sicherer Weg sein, wo es keinen Krieg gibt“, sagt Roulin. Verfahren können sie sich nicht: Vor dem Kutschbock mit den Ledersitzen ist ein Navigationssystem angebracht.

Überhaupt ist die 3,20 Meter hohe Kutsche mit allem Nötigen ausgestattet. „Für uns ist das Luxus“, sagt Roulin. „Schäferhäuser in den Bergen sind viel rustikaler.“ Im Inneren gibt es eine Küche, einen Holzofen und ein buntes Bett, vor dem die Körbchen für die Hunde Vita und Rudi stehen. Sogar Strom hat die Kutsche, mit der die Warnlampe auf dem Dach betätigt werden kann. An der Außenseite hängen eine Leiter, ein Fahrrad und ein Besen.

Mindestens fünf Jahre soll die Reise dauern. Die Angehörigen hatten gemischte Gefühle bei der Abfahrt. „Sie waren ein bisschen erstaunt“, sagt Reiser. Unterwegs habe das Paar viele Menschen kennengelernt. „Ich hätte nicht gedacht, dass wir so schnell Freundschaften knüpfen“, erzählt Reiser. Das könne sogar wichtig sein, da sie ständig auf Hilfe angewiesen seien. „Als es im Winter angefangen hat zu schneien, sind wir für zwei Monate auf einem Biohof bei Ulm untergekommen und haben dort mitgeholfen“, erinnert sie sich. „Ein tolles Gefühl. Vertrauen in das Leben und in den Menschen zu finden.“ Auf dem Weg ernähren sich Reiser und Roulin viel von dem, was sie finden und geschenkt bekommen. Bärlauch, Löwenzahn und Eier stehen fast täglich auf der Speisekarte.

Für die Nacht muss nun noch ein Quartier gesucht werden – notfalls wird auch wild gecampt. Rudi und Vita springen wieder in den Wagen, und die beiden Schäfer außer Dienst machen es sich auf dem Kutschbock bequem. Mit einem leisen Knarzen setzt sich das Gespann in Bewegung. „À droite“, ruft Roulin, und die Pferde ziehen die Kutsche nach rechts um die Kurve, wo sich langsam eine lange Autoschlange bildet. Irene Reiser und Martial Roulin ist das egal. Sie haben Zeit.

Wer die Reise von Irene Reiser und Martial Roulin verfolgen möchte, kann ihren französischen Blog unter www.projetmongolie.e-monsite.com lesen.