Neuburg
Mit Sicherheit aus Neuburg

Berufsschule ist größter Ausbilder in ganz Bayern und stemmt sich gegen schlechte Qualifikation in der Branche

24.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:04 Uhr

Neuburg (DK) Der Ruf nach mehr Sicherheit lässt die Branche boomen. Personal dringend gesucht! Das Gros der Beschäftigten hat aber nur eine Minimalausbildung. Dieses Qualifizierungsvakuum soll der Ausbildungsberuf für Schutz und Sicherheit füllen - die Neuburger Berufsschule ist hier bayernweit führend.

Gepanzerte Wachmänner am Bahnhof, Security im Flüchtlingsheim, hoch technisierte Kontrolleure im Flughafen, Überwachungskameras am Einfamilienhaus, Türsteher vor der Disko: Private Schutzfirmen prägen immer mehr den Alltag. Die Branche wächst, erzielte 2016 laut Bundesverband der Sicherheitswirtschaft 8,62 Milliarden Euro und beschäftigt rund 270 000 Mitarbeiter - rund 12 000 Stellen sind unbesetzt. "Der Personalbedarf steigt, die Bedrohungslage wird nicht verschwinden", prognostiziert Wolfgang Fürst, Fachbereichsleiter für Schutz und Sicherheit an der Berufsschule in der Monheimer Straße. "Das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung wird immer größer", sagt Schulleiter Fritz Füßl. Gerade erst hat die Deutsche Bahn massiv aufgerüstet - Männer in Schutzwesten patrouillieren.

Geschult werden sie an der Neuburger Berufsschule. Was kaum jemand weiß: Mit ihren über 200 Schülern ist sie die zentrale Ausbildungseinrichtung in ganz Bayern - nur in Forchheim gibt es noch eine kleine Einrichtung. Jede achte Fachkraft in Deutschland wurde in Neuburg unterrichtet. Die Schülerzahlen steigen. Seit 2002 gibt es den Ausbildungsberuf Fachkraft für Schutz und Sicherheit, seit 2008 die abgespeckte Version der Servicekraft - sie sollen ein Qualifizierungsvakuum in einem heiklen Tätigkeitsfeld füllen. Denn zur Wahrheit gehört auch, dass der Großteil der Beschäftigten nur ein Minimum an Ausbildung mitbringt: Um gewerblich tätig zu sein, genügt eine einwöchige Unterweisung durch die Industrie- und Handelskammer. Das war's. Für manche Tätigkeiten wie Türsteher oder Kaufhausdetektiv braucht es oben drauf eine schriftliche und mündliche IHK-Sachkundeprüfung.

Dem gegenüber sind die 8500 Fachkräfte, die in Deutschland mittlerweile ihre Abschlussprüfung bestanden haben, ein geringer Anteil, die Branche erhofft sich aber einen Qualifizierungsschub. "Es ist ganz wichtig, dass hier Fachkräfte tätig sind, die wissen, was sie tun", sagt der Leiter der Berufsschule mit vierzügigen Sicherheitsklassen - zumal hier der Kontakt mit den Menschen im Mittelpunkt steht. Drei Jahre dauert die Ausbildung, zwei Jahre reichen für die Servicekraft. Gesetzliche Rechten und Pflichten stehen auf dem Lehrplan, psychologische Schulungen zur Deeskalation, Waffenrecht, kaufmännisches Know-how und Sicherheitstechnik. "Das Berufsbild hat sich enorm weiterentwickelt", sagt Fürst. "Und es gibt viele heikle Situationen." Da ist der Revierfahrer, der kontrolliert, warum eine Alarmanlage angeschlagen hat, der Empfangsdienst, der auch mal einen betrunkenen Firmenvorstand vom Autofahren abhalten sollte, der Flughafenkontrolleur, der die Koffer durchleuchtet, oder auch der Türsteher, der sich täglich mit Betrunkenen herumärgern muss. "Dass der irgendwann vor Gericht landet, ist klar. Die Frage ist nur, ob er verurteilt wird", erklärt Fürst - hier sei es elementar wichtig, ruhig zu bleiben und seine Rechte zu kennen. Zwölf Lehrer, darunter ein Meister für Schutz und Sicherheit, bereiten die Schüler auf die brenzligen Situationen vor. Das ist immer noch Pionierarbeit. Vernünftige Lehrbücher seien Mangelware, erklärt der Fachbereichsleiter - die Nische sei noch zu klein, nicht lohnenswert für Verlage.

Probleme bereiten in der dualen Ausbildung auch manchmal die Unternehmen - schwarze Schafe stellen gezielt Azubis als billige Arbeitskräfte ein. Ohne Übernahmeaussicht. Die Bezahlung in der Branche ist eher schlecht. "Sicherheit ist ein saublödes Produkt. Das kann ich nicht gut verkaufen", bringt es Wolfgang Fürst auf den Punkt. "Beim Autohändler sehe ich, was ich habe. Und hier? Wenn alles funktioniert, sehe ich nichts. Wenn ich aber was dafür ausgebe und es passiert trotzdem was, fragt sich jeder: Wieso zahl' ich denn so viel dafür" Hier wird in Unternehmen gerne outgesourct und eingespart. Ein schwieriges Gewerbe - das auch schwierige Bewerber anzieht. All das macht eine vernünftige Ausbildung wie in Neuburg noch wichtiger. Woran es vor Ort hakt, ist die Unterbringung. Die Schüler wohnen größtenteils in Containern. Hier wünscht sich die Schule eine Verbesserung, doch die würde Millionen kosten.