Neuburg
Milchpreis im Keller: Bauern sind verärgert

Neuburger Molkerei bezahlt derzeit 28 Cent pro Liter / "Im Herbst wird die Lage wieder besser"

14.08.2012 | Stand 03.12.2020, 1:10 Uhr

 

Neuburg (r) „Unsere Milchbauern sind stocksauer“. Etliche der 100 Vertreter machten gestern ihrem Ärger Luft. Der Wirbel war vorprogrammiert bei der Versammlung der Neuburger Milchwerke. Grund ist der derzeit miserable Milchpreis von 28 Cent pro Liter. „Davon kann kein Betrieb existieren“, so die Bauern.

Dass die Neuburger Molkerei ihre 1600 Milchlieferanten momentan so schlecht auszahlen kann, liege am Preisverfall bei H-Milch. Neuburg, größter bayerischer Hersteller von haltbarer Milch, „ist unter die Räder gekommen“, so Geschäftsführer Wolfgang Nuber (Ravensburg). Die Nachfrage sei eingebrochen, und die Handelsketten diktierten die Preise nach unten.

100 deutschen Molkereien stünden sechs große Lebensmittelketten gegenüber, „und deren Marktmacht ist stärker“. Der sinkende Preis bei Butter und Sahneprodukten verstärke die Krise, so Geschäftsführer Stefan Bayr (Neuburg). Man bleibe heuer unter der Messlatte der Konkurrenz. „Aber wir glauben, dass sich im Herbst die Preise in Süddeutschland wieder angleichen werden“.

Die Milchbauern mosern. Ein Beschwerdeführer warf dem Management gar „Konzeptlosigkeit“ vor, ein anderer „Beschönigung“. Im Dachauer Bereich zahle die Konkurrenz derzeit sechs Cent mehr. Sogar die neue Übernahme (Fünf-Jahresvertrag) der Erzeugergruppe Ansbach mit 80 Millionen Litern jährlich kommt schlecht an. „Wir verarbeiten zuviel Milch über die Billigschiene“, beschwert sich ein Landwirt.

Die Vorsitzenden von Vorstand und Aufsichtsrat wiesen diese Kritik zurück. Natürlich habe das Melken 2011 „noch mehr Freude gemacht“, so Vorstandschef Ernst Herzog, „doch ihr müsst die letzten 20 Jahre betrachten“. Neuburg habe seinen Erzeugern immer sehr gute Preise bezahlt. Neue Milch aufzunehmen sei wichtig, so Aufsichtsratschef Michael Gschwendtner, „wir geben keine Märkte preis, die wir mühsam aufgebaut haben“.

Die Stärke und Spezialisierung der Neuburger Milchwerke auf H-Milch beschert 2012 erstmals Preisprobleme. Eine Käserei – deren Produkte sind teurer geworden – könne man nicht herzaubern. „Wir führen unser genossenschaftliches Unternehmen solide und sicher“, so die Geschäftsführer. Wie erwartet, überschattet die Milchpreisdebatte das erfolgreiche Geschäftsjahr 2011. Vor Jahresfrist erhielten die Erzeuger noch 38 Cent pro Liter. Die Bilanz 2011 war ausgezeichnet, nur ein einziger Vertreter verweigerte Vorstand und Aufsichtsrat die Entlastung.

Der Markt ist paradox: Bayerische Milchbauern erhalten keine kostendeckende Vergütung, und in China bezahlen die Kunden zwei Euro für den Liter Milch. Den skandalgeschüttelten chinesischen Molkereien traut man offenbar nicht mehr. Also geht Neuburger H-Milch sechs Wochen lang per Containerschiff nach China und Puddingdesserts nach Vietnam. Den Export (30 Prozent) will die Genossenschaft weiter ausbauen, ebenso den sehr erfolgreichen Vertrieb lactosefreier Produkte (Minus L). Neuburg und Ravensburg kreieren ständig neue Sortimente. Im Oktober startet der Verkauf eines Dreischicht-Desserts mit Sahne.