Neuburg
Kleiner Pilz, katastrophale Wirkung

Das Eschentriebsterben schlägt im Auwald voll durch

22.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:47 Uhr
Immer mehr Eschen sterben in den Auwäldern entlang der Donau. −Foto: Klaus Frank

Neuburg (DK) Der Name "Falsches weißes Stengelbecherchen" hört sich eher niedlich als gefährlich an. Und doch verbirgt sich dahinter die aktuell größte Gefahr für die Eschenbestände, denn der unscheinbare Pilz bringt sie zum Absterben.

Es waren Fachleute aus Wissenschaft und Praxis, die sich gestern Vormittag in Schloss Grünau trafen. Eingeladen hatte Oberforstdirektor Harald Textor vom Wittelsbacher Ausgleichsfonds (WAF). War er zu Beginn seiner forstlichen Laufbahn mit dem Tannensterben konfrontiert, ist es Jahrzehnte später das Eschentriebsterben, das sich nicht allein auf die Triebe beschränkt, sondern die Bäume - junge wie alte - komplett killt. Der Anteil der Esche in deutschen Wäldern liegt bei nur vier bis fünf Prozent, im Auwald ist sie aber eine landschaftsprägende Hauptbaumart. Das harte, strapazierfähige Holz ist begehrt, wird exportiert und ist daher wirtschaftlich durchaus interessant. Doch seit dem Jahr 2005 hat sich der Einwanderer aus Asien, von Osteuropa ausgehend, in 22 Ländern Nord-, Ost- und Mitteleuropas wie eine Seuche in den Eschenbeständen ausgebreitet.

"Das Eschentriebsterben hat die Auwälder entlang der Donau mit voller Härte erreicht", sagt Textor. Unterstützt wird der kleine Pilz, der seine unheilvollen Sporen vom Wind verfrachten lässt, durch den Klimawandel und die damit einhergehenden steigenden Temperaturen. "Rund 300 Hektar, was in etwa 300 Fußballfeldern entspricht, sind betroffen", erklärt der Oberforstdirektor, egal ob zwei bis dreijährige Bäume oder Altbestände. Ein Baum, der seit Jahrmillionen in den Auwäldern heimisch war, könnte damit verschwinden, so wie die Ulme praktisch ausgestorben ist. "Es gibt keine resistenten Eschen", macht Textor Hoffnungen auf widerstandsfähige Exemplare zunichte. Für ihn rollt "eine Katastrophe ersten Ausmaßes" an.

"Das Eschentriebsterbenhat die Auwälder entlangder Donau mit vollerHärte erreicht."

Harald Textor, Oberforstdirektor

 

In der Krone beginnt der Pilz seine destruktive Arbeit. Die Triebe sterben ab. Dann greift der Befall auf das ganze System Baum über, bis letztlich auch die Wurzeln zerstört sind, meist mit Hilfe von Sekundärschädlingen, die an den vorgeschädigten Bäumen andocken. Der Perfide dabei: Scheinbar starke Bäume fallen ohne Vorwarnung um. Ein Phänomen, das man auch im Donauauen-Nationalpark in Österreich beobachtet hat. Eine Gefahr für Spaziergänger aber auch Waldarbeiter. Solche Bäume lässt Textor entfernen, vor allem entlang von Rad- und Wanderwegen, was ihm viel Kritik von Vogel- und Naturschützern eingebracht hat. "Wir müssen das machen, bevor jemand verletzt oder gar getötet wird", betont der Forstmann und zeigt die Stapel von geschlagenem Holz. Der Marxheimer Bürgermeister Alois Schiegg hat in diesem Zusammenhang auch von Raubbau durch den WAF gesprochen. Textor hingegen vertritt die Ansicht: "Menschenschutz vor Natur- und Vogelschutz. Jede absterbende Esche wird zunächst begutachtet und danach, je nach Gefahrenpotenzial, entnommen."

Für ihn ist es ein "wahrhaftiges Trauerspiel", die einst blühenden Eschenwälder sterben zu sehen. Deshalb hat Textor gestern Vormittag Experten nach Schloss Grünau eingeladen, um Wissen und Ideen zusammeln und gangbare Lösungen zu finden. Zur Runde gehörten Elisabeth Wender, Natura-2000-Gebietsbetreuerin aus Eichstätt, und ihr Kollege Josef Egginger vom Forstamt in Pfaffenhofen, Lorenz Biller, Revierleiter beim WAF und Kenner des Auwaldes, der Sachverständige für Forsteinrichtungen Stefan Esser, Alois Hecker vom Forstamt Ingolstadt, Franz Binder von der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft sowie Andreas Hahn vom Forstamt Pfaffenhofen. Eine Lösung des komplexen Problems vermochte auch die Expertenrunde nicht aus dem Ärmel zu schütteln.

Aktuell sind die Forstleute nur in der Lage, die Symptome einer Entwicklung zu bekämpfen, für die sie nichts können. Kranke und abgestorbene Bäume zu entnehmen ist die eine Seite der Medaille, doch was dann? Welche Baumarten können Ersatz schaffen? Das muss zum einen unter ökonomischen Aspekten geschehen, zum anderen aber mit den Maßgaben eines FFH-Gebietes mit seinen Schutzkriterien kompatibel sein. Textor hatte Vorarbeit geleistet und eine Liste von Baumarten vorgeschlagen, die Ersatz sein könnten. Darunter neben der Eiche die Hybridnuss, die Linde, die Schwarznuss, Hickory-Arten, Walnuss, Pekannuss, Tulpenbau, Platane und Robinie. Gerade die Gebietsbetreuer Elisabeth Wender und Josef Egginger reagierten darauf verhalten.

"Die biologische Vielfalt muss erhalten bleiben", sagte Elisabeth Wender. Ihr Kollege Egginger ließ sich von Textor versichern, dass zunächst keine Experimente mit untypischen Baumarten gestartet werden, wobei die Schwarznuss bereits Eingang in den Auwald gefunden hat. "Wir haben 60-jährige Bestände mit 40 Meter hohen Bäumen", erklärte der Oberforstdirektor. Primär denke er aber an die Eiche und heimische Baumarten. "Uns läuft die Zeit weg", mahnte Textor und schlug vor, sich Fachleute anzuhören, die seit Jahrzehnten mit dem Problem konfrontiert sind. Der WAF würde sich an einer wissenschaftlichen Arbeit sogar finanziell beteiligen. Außerdem soll das Symposium fortgesetzt werden. Es eilt. "Uns steht das Wasser bis zum Hals", fasste Textor die Situation plakativ zusammen.