Neuburg
Intrigante Retourkutsche der Damen

Kammeroper präsentiert effektvolle "Abenteuerlust" Die große Linie bleibt verborgen

24.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:30 Uhr

Foto: Gerda Enghuber

Neuburg (DK) Aufs leichte Parkett und doch auf schweres Terrain führt die diesjährige Neuburger Kammeroper mit ihrer 48. Produktion. Die deutsche Bearbeitung von "Abenteuerlust" von Horst und Annette Vladar feierte am Samstag Premiere.

In der Opera comique von Nicolas Isouard begegnet dem Zuschauer ein ausgesprochener Zeiten-Zwitter, retrogewandt einerseits, sich zwischen den Stilen bewegend und da und dort bedienend, dann wieder kräftig nach vorn schon weisend.

Malteser von Geburt, italienisch gebildet und wie so ziemlich alle seiner Zeit nach Paris strebend, zählte für Isouard nur eins: den Geschmack treffen. Auf Vertrautes zurückzugreifen, kann nicht schaden, und zugleich musste, wer Erfolg haben wollte, originell sein. Zunächst befreundet, dann entschiedene Konkurrenten, beflügelte der künstlerische Wetteifer mit Adrian Boieldieu letztlich wohl beide.

Die Dienste des zu seiner Zeit hochgeehrten Charles Guillaume Etienne als Librettisten beschert auch im aktuellen Fall eine aus etlichen Versatzstücken gefügte, weil mehrere Handlungsebenen parallel verfolgend, im Ergebnis halbwegs originelle Vorlage. Horst Vladar inszeniert das Ganze effektvoll, Michele Lorenzinis Bühnenbild liefert dazu den stimmigen Idylle-Rahmen.

Zwei Freunde, siehe "Cosi fan tutte", an sich Graf und Bedienter, also mehr "Don Giovanni", wollen ihre Bräute auf die Probe stellen, indem jeweils der eine die Anvertraute des anderen zu verführen trachtet. Was in der "Cosi" dann anders oder jedenfalls nicht so eindeutig ist, durchschauen die Damen das fiese Spiel von allem Anfang und hecken nun ihrerseits die intrigante Retourkutsche aus.

Als zwei Zigeunerinnen kreuzen Mathilde (Annika Liljenroth) und Freundin Edile (Astghik Khanamiryan) exakt die Bahnen, auf denen Graf, ein Tenor (Karsten Münster) und sein Vertrauter, ein Bass (Patrick Ruyters) sich als verkleidete Spielleute bereits tummeln. Es kommt zu einem nächtlichen Verwirrspiel, dessen Mozart sich auch im vierten Akt des "Figaro" befleißigt.

Wie Giovanni und Leporello hat es das adelige Völkchen wohl des zusätzlichen Kolorits wegen wieder mal aufs Land verschlagen, wo die nicht bloß tugendsame Zerlina, die hier Jeanette heißt (Janina Pudenz) zur Rosenkönigin gekürt werden soll und derweil ihren Matthes (Wolfgang Veith) wie dereinst Zerlina mächtig herzt und neckt. Ein Dorfrichter Marke Dr. Bartolo, dankbar gemimt von Horst Vladar, mischt mit, ein Strippenzieher im Hintergrund (Michael Hoffmann) gibt dem Geschehen halbwegs Plausibilität.

Nach verwandtem Muster nutzt Isouard in seiner geschickt die Ebenen mengenden Musik durchaus auch Stilelemente des an sich verpönten italienischen "Kulturimports", um rasch mal den Witz der Pariser Vorstadtkomödie zu transportieren. Volksliedhafter Ton und durchaus große Form wechseln, Jocondes große Antrittsarie dann erreicht durchaus Rossini-likes Belcanto-Format, kaum später fühlt man sich wieder ins neckische Schäferspiel 50 Jahre davor versetzt. Schwer, aus den vielen Versatzstücken eine Linie, so was wie Stil gar zu finden.

Alois Rottenaicher flüchtet sich mit dem diesmal öfter mehr als geforderten Akademischen Orchesterverband vornehmlich ins Laute. Im Permanent-Fortissimo bleibt zumal für feminine Zwischentöne wenig Atem, zumal die ihnen zugetanen Herren forcieren, als ginge es ums Vorsingen für die Arena von Verona. Die Jeanette der Janina Pudenz besticht mit viel Liebreiz. Und nicht allein bei dem an sich von Norbert Stork sorgsam einstudierten Chor fragt man sich, warum denn heute niemand mehr auf die Alten hört.

Horst Vladar, als hätte er bei seiner Textfassung den vielen Ehrgeiz schon geahnt, hält als Dorfrichter dem versammelten Ensemble ein "Müsst ihr denn so schreien" vor.