Neuburg
Hoffen auf Veränderung

Italiener aus der Region wünschen sich einen positiven Ausgang des Referendums in ihrer Heimat

02.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:58 Uhr

Partnerstadt vor Entscheidung: Neuburg und Malcesine am Gardasee verbindet seit Jahren eine enge Freundschaft. Jetzt blicken auch die in Neuburg lebenden Italiener in ihre Heimat; dort entscheiden die Bürger am Sonntag über die weitreichendste Verfassungsreform in der Geschichte des Landes. ‹ŒArch - foto: Rein

Neuburg (DK) Das bevorstehende Referendum in Italien über eine Reform der dortigen Verfassung beschäftigt auch die italienischen Staatsbürger aus der Region. Wir haben uns mit zwei Italienern in Neuburg über die Abstimmung diesen Sonntag unterhalten. Ihre Meinung: ein klares Ja für die Reform.

Anselmo Plancker (linkes Foto) steht vor seiner Hütte und schnitzt. Zum 16. Mal sind der Künstler und seine Familie bereits in das winterliche Neuburg gekommen, um den Christkindlmarkt auf dem Schrannenplatz mit ihren Schnitzereien zu bereichern. Dazu gehört - wie für Plancker üblich - auch ein Kunstwerk, das vor Ort entsteht. Doch während er einen "Meinl-Mohr" aus Zirbenholz entstehen lässt, sind die Gedanken des 78-Jährigen in der Heimat. Denn dort stimmt das Volk diesen Sonntag über die weitreichendste Verfassungsreform in der Geschichte der Republik ab.

Obwohl Plancker aus dem weitgehend autonomen Südtirol stammt, interessieren ihn die Geschehnisse im fernen Rom brennend. Vor allem deshalb, weil er mit dem, was dort seit Jahren passiert, alles andere als einverstanden ist. "Ich bin deshalb ganz klar für die Reform", sagt der Holzschnitzer aus der Gemeinde Wolkenstein im Grödner Tal. Vor allem die Größe des italienischen Senats ist Plancker ein Dorn im Auge. Laut der von Ministerpräsident Matteo Renzi vorangetriebenen Reform soll das Gremium von derzeit 350 auf 100 Sitze zusammenschrumpfen - und gleichzeitig einen Teil seiner Befugnisse verlieren. Eine gute Idee, findet Plancker, der sich an den bürokratischen Hürden in seiner Heimat stört. Und auch im restlichen Reformpaket hat der Holzschnitzer viele gute Ideen ausgemacht. "Außerdem zeigt es, dass der Staat damit anfängt, zu sparen", betont er im Gespräch mit unserer Zeitung.

Abgestimmt hat der Südtiroler allerdings nicht. Zum einen, weil er derzeit in Neuburg weilt. Zum anderen, weil sich sein Vertrauen in die Post arg in Grenzen hält. Anders sieht das bei seinem Landsmann Fernino Raffaele aus. Er hat per Briefwahl mit Ja gestimmt - und das ist ihm ganz wichtig. "Meine Meinung ist, dass das Referendum Italien einen Schritt nach vorne bringen wird", sagt der 42-jährige Gastronom in seiner Neuburger Pizzeria. "Die Bürokratie würde weniger werden, das Parlament würde effizienter arbeiten, als jetzt." Raffaele sieht die italienische Verfassung in ihrer heutigen Form als Kind der Nachkriegszeit, in der das Hauptaugenmerk auf die Kontrolle der Verfassungsorgane gelegt wurde. Das habe damals seine Berechtigung gehabt, aber aus heutiger Sicht bremse diese Systematik auch im politischen Alltag, führe zu Stillstand und zu Behäbigkeit. Viele Politiker stemmten sich gegen die Veränderungen, weil sie um ihre Jobs fürchteten, die zahlenmäßig deutlich reduziert würden. Und viele machten die Europäische Union für vieles verantwortlich - nach Raffaeles Meinung, nicht immer zu Recht.

Die Rolle des Ministerpräsidenten Matteo Renzi sieht er oft falsch dargestellt. "Renzi wird immer als Sieger aus diesem Referendum gehen", sagt der Gastronom. "Es wird knapp ausgehen. Selbst wenn er bei der Wahl nur 48 Prozent Zustimmung bekommt, dann hat er diese 48 Prozent hinter sich, auf der anderen Seite hat er die gesamte politische Welt gegen sich, die sich in viele oppositionelle Gruppen spaltet", erklärt er diese Sichtweise.

Anselmo Plancker sieht einem Nein im Referendum unterdessen voller Sorge entgegen. "Falls das Volk die Reform ablehnt, wäre Europa massiv in Gefahr", warnt er seine Mitbürger. Spätestens am Sonntagabend wird der Holzschnitzer aus Südtirol Gewissheit über diese Befürchtung haben.