Neuburg
Ein Abschied blieb ihm verwehrt

46 Jahre lang war Eckhard Seeber aus Neuburg Helmut Kohls Fahrer und Freund

23.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:53 Uhr

Foto: DK

Neuburg/Oggersheim (DK) Kein Wiedersehen, kein Abschied, keine Antworten auf seine Fragen: Für Eckhard Seeber aus Neuburg ist der Tod seines Freundes Helmut Kohl schmerzlich. Der Kontakt zum Kanzler der Deutschen Einheit endete unerwartet - und unwiederbringlich. Seeber aber bleibt loyal.

Er lauschte unzähligen vertraulichen Verhandlungen und schwitzte mit Boris Jelzin in der Sauna, blickte täglich hinter die Kulissen der weltpolitischen Bühne und könnte intimste Details aus dem Seelenleben eines großen Politikers verraten - aber er schweigt. Ob er jemals ein Buch schreibt? "Das muss ich mir noch überlegen", antwortet Eckhard Seeber (79) trocken.

Kaum jemand hat so viel Zeit mit Helmut Kohl verbracht wie er: "Ecki", wie der Bundeskanzler ihn liebevoll nannte, begleitete seinen Chef 46 Jahre lang als treuer Fahrer um die ganze Welt. Geschätzte fünf bis sechs Millionen Kilometer legten die beiden gemeinsam im gepanzerten Mercedes-Dienstwagen zurück. Ohne Personenschützer oder Referenten. Nur zu zweit. Weil es der Chef so wünschte. Weil er seinem Fahrer vertraute. Und weil es mehr war, als ein Dienstverhältnis. Nicht nur zwischen den Männern: Kein Zufall, dass es Seebers Frau Hilde war, die Hannelore Kohl nach ihrem Tod fand, immerhin hatte sie sich Jahre lang um die kranke Frau gekümmert. Und es war "Ecki", der Helmut nach dessen Sturz auf der Marmortreppe vor dem Haus aufsammelte, ins Bad hievte und ihn ins Krankenhaus fuhr. Das war 2008. Es war das letzte Mal, dass Eckhard Seeber Helmut Kohl sah. "Dann hat Frau Richter das Ruder übernommen", murmelt er mit hörbarem Unmut. Mehr sagt er nicht.

Die traurigen Geschichten wurden dieser Tage in vielen Zeitungen erzählt: Wie Maike Kohl-Richter dem Fahrer damals die Rente vorgeschlagen hat - mit der Aufforderung, den Autoschlüssel auf den Küchentisch zu legen. Wie der Kontakt zwischen den Männern plötzlich abbrach. Wie Seeber Jahre später über ein Magazin Fragen an seinen ehemaligen Chef ausrichten ließ und nie eine Antwort bekam. Und zuletzt: Wie der alte Weggefährte nach Kohls Tod beim Kondolenzbesuch von der Witwe des Hauses verwiesen wurde. Auch dazu sagt Seeber nichts mehr. Wird er beim Trauerakt teilnehmen? "Wenn ich eine Einladung bekomme." So endet die Geschichte also.

Angefangen hat sie 1962, als der aufstrebende Jungpolitiker Kohl einen Fahrer suchte. Er fand Eckhard Seeber: Geboren in Thüringen, aufgewachsen in der Amalienstraße in der Neuburger Altstadt, Schüler an der Marstallschule und später Fallschirmspringer und Kommandeursfahrer bei der Bundeswehr. Danach heuerte der junge Mann bei einer feinen Familie als Herrschaftsfahrer und Butler an - bis er eines Tages Kohl zu einem Fest kutschieren musste und wenig später den Arbeitgeber wechseln sollte - für den Job seines Lebens.

Die Chemie passte. "Er hat zwei Ellbogen gehabt, aber mit den Menschen war er schon freundlich", erzählt der 79-Jährige über Kohl und erinnert sich daran, wie der Chef ihn in der ganzen Republik spontan bei Bauern halten ließ, um sich nach den Preisen für das Gemüse und das Befinden zu erkundigen. Als die Staatskarosse eines Abends an einer Wirtschaft hielt und Kohl mit dem Bundestagsabgeordneten und späteren Bundestagspräsidenten Philipp Jenninger ausstieg, musste Seeber in der Küche Schlimmeres verhindern. "Die alte Frau war so nervös, dass sie nichts fertig bekommen hat, also bin ich in die Küche und hab Eier aufgeschlagen."

Apropos Eier: Berühmt auch die Anekdote, wie Kohls Dienstwagen 1991 in Halle an der Saale mit Eiern beworfen wurde. Seeber schaltete lässig den Scheibenwischer ein, während sein Chef tobend auf die Demonstranten losstürmte.

Die schönste Erinnerung? "Als ich mit drüben in Amerika war und im Weißen Haus schlafen durfte." Präsident Bill Clinton servierte am Abend eigenhändig das Essen. Die wichtigsten Männer auf dem Globus, die großen Ereignisse der Weltpolitik: Seeber war meist ganz nah dran. "Als die Mauer gefallen ist, waren wir auf Staatsbesuch in Warschau." Kohl flog eilig zurück. "Als er wiederkam, war das natürlich ein Jubelfest", erinnert sich der 79-Jährige.

Trotz seines Alters sitzt er immer noch am Steuer, als Cheffahrer für ein Unternehmen. "Ich hab' das für mich gebraucht und es hat mir gut getan", sagt er dazu. Keine Frage, dass er auch selbst aus Oggersheim herfährt, wenn er zum 80. Geburtstag seiner Schwester nach Neuburg kommt - vielleicht gönnt er sich auch einen Schlossfestbesuch in seiner alten Heimat.