Neuburg
Gericht fordert Gutachten

Neuburger Missbrauchsprozess geht frühestens in sechs Monaten weiter

16.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:29 Uhr

Neuburg (DK) Überraschende Wende im Missbrauchsprozess gegen einen nigerianischen Flüchtling: Am vierten Verhandlungstag hat sich das Neuburger Jugendschöffengericht um Richter Gerhard Ebner gestern dazu entschieden, ein Glaubwürdigkeitsgutachten des mutmaßlichen Opfers anzuordnen. Eine Fortsetzung des Prozesses - geschweige denn ein Urteil - ist daher frühestens in einem halben Jahr, eher erst im Winter zu erwarten.

Es geht um viel für den Angeklagten, um sehr viel. Im Falle einer Verurteilung des 25-Jährigen wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes droht ihm laut Gesetz eine Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren. Doch das einzig belastende Beweismittel ist nach vielen Verhandlungsstunden und zahlreiche Zeugen die Aussage des sieben Jahre alten Opfers. "Es kommt also auf ihre Glaubwürdigkeit an", erklärte Ebner, der sich nach Beratung mit den Schöffen dazu entschied, den Prozess vorerst auszusetzen und ein Gutachten über die Glaubwürdigkeit des Kindes in Auftrag zu geben. "Nur so können wir klären, ob dem Sachverhalt tatsächlich ein reelles Ereignis zugrunde liegt", begründete der Richter diesen Schritt.

Zu groß sind offenbar die Zweifel, die das Gericht nach wie vor an der ganzen Geschichte hat. Wie berichtet, soll der Angeklagte das Kind im vergangenen Sommer zweimal missbraucht haben. Beide Fälle ereigneten sich unweit der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber, wo der Angeklagte damals wohnte und wo das ebenfalls aus Nigeria stammende Mädchen heute noch lebt. Beide Male soll der Mann die Grundschülerin abgepasst, zu Boden gedrückt und ausgezogen haben. Anschließend, so legt es ihm die Staatsanwaltschaft zur Last, soll er mindestens einen Finger in das Mädchen eingeführt haben.

Doch der Flüchtling, selbst Vater eines kleinen Kindes, bestreitet die Vorwürfe vehement. Er sieht sich vielmehr als Opfer eines Komplotts. Demnach hätten die Eltern des Kindes die Geschichte um den Missbrauch erfunden, um zu erklären, warum ihre Tochter plötzlich wieder ins Bett nässt. Gleichzeitig berichtete der Mann von Schlägen der Eltern, denen das Kind immer wieder ausgesetzt sei - und davon, dass diese die Siebenjährige zu den Anschuldigungen gezwungen hätten. Woher er dieses Wissen hat, blieb jedoch ein Rätsel - ebenso wie viele andere offene Fragen, die sich wie ein roter Faden durch den Prozess ziehen. Beispielsweise, was es eigentlich mit einem angeblichen Suizidversuch des Angeklagten auf sich hat. Oder warum die Zeugen ihren Vernehmungen bei der Polizei zum Teil massiv widersprechen.

Denn Vater und Mutter des Mädchens, die Freundin des Angeklagten und auch ein weiterer Asylbewerber, der in der Gemeinschaftsunterkunft zwischen den beiden Parteien vermittelt haben soll, fielen im Gerichtssaal bislang allesamt maximal durch ihr Halbwissen auf. Und auch das basiert überwiegend auf den Erzählungen anderer Personen. Einzig das Kind selbst, das sowohl bei der Kriminalpolizei in Ingolstadt als auch bei dem Prozess in Neuburg aussagen musste, schilderte den Ablauf der Übergriffe jeweils ohne Widersprüche.

Eine weitere Zeugin, die Kinderärztin, die das Mädchen nach der vermeintlichen Tat untersucht hatte, brachte gestern indes keine belastenden Fakten zur Sprache. Der Befund, für den sie auch einen Gynäkologen hinzugezogen hatte, ergab damals keine Hinweise auf frische Verletzungen im Vaginalbereich des Kindes.