Neuburg
Gelbe Flächen in der Feldflur

Glyphosat wird auch im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen häufig eingesetzt - Das Mittel ist umstritten - Imker besorgt

02.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:25 Uhr
Glyphosat wird zur Verdrängung aller Unkräuter vor der Neuaussaat angewandt oder bereits im Herbst zuvor. −Foto: Sorg

Neuburg (sgu) Der Kampf gegen sogenannte Unkräuter gehört zum Alltag in der Landwirtschaft. Das Herbizid Glyphosat wird dabei häufig angewendet - auch im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen. Doch der Wirkstoff ist umstritten.

Jetzt im Herbst planen die Landwirte bereits den Anbau ihrer Feldfrüchte für das kommende Jahr. Da kommt es in Bayern und noch häufiger in den großen Ackerlagen der neuen Bundesländer vor, dass zur Verdrängung von Unkräutern auch kräftig Herbizide eingesetzt werden. In den vergangenen 30 Jahren wurde oftmals Roundup eingesetzt mit dem Breitband-Herbizid Glyphosat - es wird unter 300 verschiedenen Namen angeboten - das eine effiziente und kostengünstige Wirkung verspricht.

In vielen Bereichen unseres Landkreises sind jetzt im Herbst oder auch im Frühjahr vor dem Anbau verschiedener Hackfrüchte die Äcker durch die absterbenden Unkräuter und Gräser oder auch Ausfallgetreide gelb gefärbt. Das Chlorophyll wird verdrängt, die Pflanzen sterben ab. Andererseits wird dieser Wirkstoff Glyphosat auch zur Sikkation eingesetzt, damit ungleich reifes Getreide gleichmäßig ausreift oder durchgewachsene Unkräuter über Lagergetreide abgetötet werden und dann das abgetrocknete Korn gedroschen werden kann.

"Wir müssen davon ausgehen, dass auch die Brut der Bienen über die Fütterung mit dem wasserlöslichen Wirkstoff in Kontakt kommt."

Manfred Hederer vom Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbund

 

 

Die Wirkung dieses Pflanzenschutzmittels auf den Menschen wird von der Internationalen Agentur für Krebsforschung IARC, einer Organisation der Weltgesundheitsorganisation WHO, als "vermutlich" Krebs erregend eingestuft, jedoch vom Bundesamt für Risikoforschung als nicht krebserregend angesehen.

Guy Graf von Moy aus Stepperg und sein Betriebsleiter Eckard Döring teilen auf Anfrage mit, dass sie seit vier Jahren im gesamten Gutsbetrieb kein Glyphosat mehr verwenden. "Uns liegt die Herstellung von gesunden Lebensmitteln, deren Erzeugung der Natur nicht schadet, sehr am Herzen", so Graf Moy. Den Landwirt Hans-Josef Landes, Milchviehhalter und Ackerbauer auf 110 Hektar Fläche in Ammerfeld, beschäftigt dieses Thema Glyphosat ebenso. Er ist verwundert, dass Rückstände in Lebensmitteln gefunden werden, zumal den Bauern von Seiten der Industrie und der offiziellen Beratung immer das Gegenteil verkündet worden sei.

Glyphosat, übrigens in der Schweiz verboten, ist überall nachweisbar, im Bier, in der Muttermilch, im Urin oder im Grundwasser. Dieses Totalherbizid von Monsanto wird in mehr als 120 Ländern der Welt vertrieben. In Deutschland werden jährlich 5500 Tonnen dieses Wirkstoffes in der Landwirtschaft eingesetzt (2016). Die Tiermedizin der Universität Leipzig hat mehrfach dargelegt, dass Glyphosat auf Rinder einen negativen Einfluss habe. Diese Befunde konnten aber in der Politik noch nicht die anstehende Entscheidung prägen. Das Thema stand dieser Tage auch auf der Tagesordnung der Agrarministerkonferenz, wurde aber ohne Ergebnis abgesetzt, weil sich die Agrarminister der Bundesländer nicht einigen konnten. Eine Entscheidung, ob Glyphosat, dessen EU-Zulassung im Juni 2016 bis Ende dieses Jahres verlängert wurde, nochmals zugelassen werden kann, ist somit weiter offen. Die Kommission fordert hierzu eine Zweidrittelmehrheit der Mitglieder, weshalb diese Entscheidung bisher hinausgeschoben wurde.

Im Mai 2015 hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) den Wirkstoffaufwand pro Fläche begrenzt. Zudem darf eine Fläche "nur" zweimal im Jahr damit behandelt werden. Glyphosat kann auch nach heftigen Niederschlägen über Gewässer und Uferfiltration ins Grundwasser gelangen. Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat auf Anfrage schon 2014 festgestellt, dass der regelmäßige Einsatz von Glyphosat zur Druschoptimierung "nicht der guten fachlichen Praxis im Pflanzenschutz" entspreche. Übrigens empfahl das Herbologie-Institut der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft bereits 2011, dass Getreide, das zuvor mit Glyphosat zur Erntebeschleunigung behandelt wurde, nicht zum Zwecke der Tierhaltung und Tierfütterung verwendet werden soll. Das sind deutliche Aussagen, dass Glyphosat mehr bewirkt als nur das Abtöten von pflanzlichem Grün. Der Hersteller Monsanto und Bayer möchten aber mindestens für weitere zehn Jahre eine erneute EU-Zulassung bekommen.

"Uns liegt die Herstellung von gesunden Lebensmitteln, deren Erzeugung der Natur nicht schadet, sehr am Herzen."

Guy Graf von Moy aus Stepperg

 

Der zunehmende Anbau von Mais als Futter- und Energiepflanze hat nicht nur optisch unsere Landschaft verändert. Auch die Landtechnik und der Pflanzenschutz haben die Tier- und Pflanzenwelt ganzer Landstriche verarmen lassen, wie der AgrarReport 2017 des Bundesamtes für Naturschutz zum Ausdruck bringt. Verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass Insekten in den vergangenen 25 Jahren regional bis zu 75 Prozent abgenommen haben. Das Umweltbundesamt teilte 2016 mit, dass Glyphosat und andere Breitbandherbizide nachweislich zum Verlust der Artenvielfalt in Ackerlandschaften beitragen. Sie beseitigen auf Äckern jegliche Wildpflanzen, so dass Insekten und Feldvögeln wie Lerche und Rebhuhn die Nahrungsgrundlage fehlt. Diese Zahlen nahm unlängst das Bundesumweltministerium zum Anlass, dazu eine entsprechende Meldung herauszugeben und auf den rasanten Artenverlust der hinzuweisen. Wie Studien von Wissenschaftlern aus Argentinien und Deutschland 2012 und 2015 zeigen, stört Glyphosat auch das Navigationsverhalten der Honigbienen. Auf der Verpackung von Roundup steht übrigens, dass dieses Mittel nicht in Wassernähe eingesetzt werden darf, weil es zu "Beeinträchtigungen von im oder am Wasser lebenden Tieren kommen kann", Wasser nehmen viele Insekten auch direkt von den Pflanzen auf.

Ein Bioland-Hintergrundpapier fordert die Politik auf, dass man dringend aus der unsäglichen Pestizidfalle raus müsse. Bei den ökologisch wirtschaftenden Verbänden ist längst bekannt, dass gute Landwirtschaftspraxis auch ohne Glyphosat möglich ist. So erzählt die Demeterbäuerin Elisabeth Knoll aus Rain, dass sie das Kartoffelkraut rechtzeitig vor der Ernte mit einer Spezialmaschine abschlegle - und das gehe gut.

Monika Krüger, emeritierte Direktorin des Institutes für Bakteriologie und Mykologie der veterinärmedizinischen Fakultät in Leipzig forschte über Glyphosat und seine Wirkungen. Sie untersuchte die unerklärliche Häufung von Botulismus (Vergiftungsart) an Rindern und auf Rückstände von Glyphosat. Auch Missbildungen bei Schweinen werden von Krüger mit diesem Herbizid in Zusammenhang gebracht. Dass Glyphosat leider auch im Honig festgestellt wird, ärgert nicht nur die Imker und macht auch die Verbraucher stutzig. Der Präsident des Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbundes, Manfred Hederer, beklagt: "Wir müssen davon ausgehen, dass auch die Brut der Bienen über die Fütterung mit dem wasserlöslichen Wirkstoff in Kontakt kommt". Glyphosat schwäche die Bienenvölker und beeinträchtige ihre Intelligenz, stellte Prof. Randolf Menzel von der FU-Berlin fest.

Bienen sind für Raps und verschiedene Hülsenfrüchte zur Bestäubung besonders erwünscht, zumal natürliche Bestäuber aufgrund vielfältiger "Pestizidstäube" so rasant abgenommen haben. Interessant ist, dass der Präsident der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft, Carl-Albrecht Bartmer, unlängst in seinem Zehn-Thesen-Papier eine ehrliche Bestandsaufnahme zur Zukunft der Landwirtschaft anmahnt und schreibt: "Pflanzenbau ist mit Umwelt/Naturschutz in Einklang zu bringen. Mal sehen, wie sich Deutschland bei der für den 4. Oktober angesetzten Abstimmung im zuständigen EU-Ausschuss verhält, zumal Frankreich schon andeutete, gegen die geplante Verlängerung der Wiederzulassung zu stimmen, was die notwendige qualifizierte Mehrheit gefährden könnte."