Neuburg
Geigerin Bin Huang: Ausgewogenheit der Sonderklasse

04.08.2013 | Stand 02.12.2020, 23:49 Uhr

Neuburg (lm) Ganz schön perfide, könnte man sagen, vor der Unterricht beginnt, sich als Lehrer hinstellen zu müssen, zu zeigen, was man selbst so drauf hat. Dritten etwas beweisen, muss bei diesem Auftakt-Konzert zur diesjährigen Sommerakademie gewiss kein Interpret mehr.

Doppelt schön also, wenn sie sich dennoch der Aufgabe stellen. Die Besucher rekrutierten sich im wesentlichen aus interessierten Kursteilnehmern. Ein extraordinäres Vergnügen allerdings wird man sich für das nächste Jahr aufheben müssen: noch einmal die Geigerin Bin Huang erleben zu können – nein, in dem Fall muss es heißen: zu dürfen. Diese jagerade idealtypisch ausgewogene Dualität zwischen technischer Beherrschung und interpretatorischer Stilsicherheit ist nicht alltäglich. Natürlich fällt Ravels „Tzigiane“ unter die Rubrik Bravourstück. Wie Bin Huang durch diesen Parforceritt durchkommt, hätte man wahrscheinlich ein Metronom eichen können. Und dennoch atmet ihr Spiel Charakter, gleicht einem Bild, das Schattierungen kennt, die das eine Wesen nur desto stärker beleben. Ein beseeltes Spiel, uneitelst ganz im Dienste der Musik. Nun sagt ein Konzertauftritt natürlich nichts über pädagogische Fähigkeiten aus, aber wenn diese Frau kein verständliches Wort sprechen könnte: Ihr Spiel allein ist eine exzellente Schule: wie man ohne Mätzchen einfach richtig spielt. Programmatisch für die Sommerakademie mag die stilistische Vielfalt sein, mit der dieser Auftakt aufwartet. Nicolas Koeckert im Verbund mit seiner Frau Kristina hatte schon am Vormittag beim „Festakt“ mit einem Prokofjew aufhorchen lassen; jetzt gab’s dessen zweite Sonate zur Gänze. Eines hat Alexander Suleiman nach seinem hinreißenden Piazzolla-Tango auf jeden Fall gemein mit Bin Huang: Beide möchte man unbedingt Bach spielen hören. Ute Pruggmayer-Philipp wählte einen majestätisch impulsiven, lauten und heftigen Zugang zu Robert Schumanns großer C-Dur-Fantasie. Akademieleiter Herbert Wiedemann blieb es vorbehalten, Grenzbereiche klassischer Musik auszuloten.