Neuburg
Erweckung eines historischen Märchens

Der Simon-Mayr-Chor drückt trotz konzertanter Opernaufführung große Gefühle aus

29.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:22 Uhr

Stimmgewaltig: Araldo (Harald Thum, von links)), der Herold, meldet Zarasto (Andreas Mattersberger), dass Cherusker nahen, um die von Treuta (Markus Schäfer) verteidigte Sklavin Tusnelda auszulösen, doch Zarasto weigert sich, auf das Opfer zu verzichten. Yvonne Prentki (in der Rolle der Tusnelda, rechts) sang sich mit ihrem biegsamen Sopran in die Herzen der Zuhörer. - Fotos: Hammerl

Neuburg (DK) Große Gefühle in einer konzertanten Opernaufführung auszudrücken, ist nicht leicht. Dem hochkarätigen Ensemble, das Franz Hauk für die dramatische Simon-Mayr-Oper "I Cherusci" zusammengestellt hat, gelingt es dennoch, reichlich Funken überspringen zu lassen.

Frenetisch feiert das Publikum nach drei spannungsreichen Opernstunden die acht Solisten, den zehnköpfigen Männerchor und das inklusive Dirigent, der auch am Cembalo einen wichtigen Part übernimmt, 21-köpfige Orchester.

Das ausgezeichnet gemachte, ausführliche Programmheft erleichtert es mit deutschen Übersetzungen, der italienisch gesungenen Oper zu folgen. Wobei es eins nicht ersetzen kann - den politischen Hintergrund, der die Brisanz des im Jahre 1808, also zur Zeit der Besetzung Italiens durch Napoleon, uraufgeführten Werkes erst richtig mitfühlen ließe.

Für den modernen Zuschauer ist "I Cherusci" schlicht ein historisches Märchen, das von Kriegswirren, Versklavung, von (Vater)Liebe und Friedensverhandlungen erzählt. Was die Oper heute noch erlebenswert macht, ist vor allem Mayrs Musik, die voller Leidenschaft, ja Sinnlichkeit ist, deren Melodik mitreißt und mitleiden lässt.

Nicht dass die Zuhörer im praktisch ausverkauften Kongregationssaal auch nur einen Augenblick daran zweifeln, dass es gelingen wird, Tusnelda, die junge Cheruskerin und Sklavin Treutas, des Königs der Markomannen, zu erretten - dazu fehlt die szenische Darstellung. So steht der Druidenoberpriester Zarasto, der sie dem Kriegsgott Mars opfern will, ziemlich alleine da, unterstützt wird er nur vom Chor, der in dem Fall das aufgewiegelte Volk verkörpert. Der junge Andreas Mattersberger imponiert mit seinem wandelbaren Bassbariton, der ebenso düster-fordernd klingen kann wie edelmütig-warm, nachdem Tusnelda sich als Tochter des Markomannenfürsten entpuppt hat und somit dem Götterwillen auch aus Sicht des Druidenpriesters Genüge getan scheint. Neben Zarasto sorgen die Duette zwischen Markus Schäfer als Treuta und Yvonne Prentki als Tusnelda für weitere Höhepunkte der ohnehin hochklassigen Aufführung. Wer könnte sich dem Zauber des ergreifenden Duetts entziehen, als Vater und Tochter sich unbewusst erkennen, sich zueinander hingezogen fühlen, aber die Natur ihrer Gefühle noch nicht begreifen? Schäfers lyrischer Tenor ist wie geschaffen für die gefühlvollen Rezitative, mit denen Mayr den Markomannen den Sieg über die Cherusker feiern und zugleich um seine verlorene Tochter trauern lässt oder sich vorsichtig (seiner Tochter) Tusnelda annähert.

Andrea Lauren Brown wird der Hosenrolle des Tamaro, Tusneldas Verlobten, mit ihrem kraftvollen, ja kämpferischen Sopran rundum gerecht, wunderschön das von der Harfe begleitete Bardenlied, in dem sich die Sängerin als koloratursicher erweist.

Katharina Konradi sowie der aus Ingolstadt stammende Tenor Uwe Gottswinter als Ercilda und Carilo kommentieren das Geschehen in ihren leidenschaftlichen Rezitativen, Markus Zeitler als greiser Cherusker Dunclamo bringt schließlich die Lösung für das Drama. Vom Cembalo aus hat Franz Hauk jederzeit alle im Blick und im Griff. Immer wieder suchen die Blicke der Sänger wie der jungen Musiker des Concerto de Basso den Dirigenten, folgen gehorsam jeder Nuance seiner Bewegungen. Drei Stunden vergehen so wie im Fluge. Fazit: Es darf gerne noch mehr italienische Oper à la Simon Mayr sein. Das hat das Publikum auch so gesehen, es bedankte sich mit Bravorufen und donnerndem Applaus sowie stehendem Beifall.