Neuburg
Eine Sternstunde der Renaissancemusik

Augsburger Domsingknaben verzaubern ihre Zuhörer Dekan hört "den Himmel auf Erden"

23.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:19 Uhr

Die Augsburger Domsingknaben brachten in der Neuburger Hofkirche perfekte Chormusik zu Gehör. Passend zum Dekanatskirchentag wählten sie Lieder aus der Renaissance. - Foto: r

Neuburg (DK) So kann Chormusik klingen, wenn sie vor allem kommerzfrei und absolut ohne Best-of-Allüren gemacht wird. Diese Ehrlichkeit machte den Auftritt der Augsburger Domsingknaben in ihrer Konzertformation zu einer Sternstunde der Musik, ja im Neuburger Kulturleben.

Dekan Werner Dippel hörte gar den Himmel auf Erden. "Himmlisch", "göttlich" - all diese schwärmerischen Begriffe treffen zu und beschreiben dennoch höchst unzulänglich die sonntägliche Ausnahme-Stunde in Neuburgs Hofkirche, nach schleppendem Vorverkauf dann doch noch einigermaßen anständig besucht. Schier überflüssig der Verweis auf die höchsten sängerischen Qualitäten. Die Augsburger Domsingknaben gehören zu den "Big Four" in Bayern und wurden diesem Anspruch ohne den geringsten Abstrich gerecht. Da passt die Intonation, das sitzt die Artikulation und es sind großartige Stimmen. Wie sicher sich diese solistisch zu behaupten wissen, so selbstverständlich fügen sie sich im nächsten Moment in das große Ganze, wobei mit rund 40 Sängern der "Kammerchor" schon recht opulent besetzt ist.

Wirklich außergewöhnlich aber war dieses Konzert, weil all diese Qualitäten kein bisschen Selbstzweck werden, ein nettes, möglichst publikumswirksames Konzert abzuliefern, wobei das Dargebotene selbstredend höchst wirkmächtig war. Aber Chor und sein Leiter Reinhard Kammler hätten es sich viel leichter machen können, wie vielleicht mit der allerletzten Zugabe, aber auch dafür - "Der Mond ist aufgegangen" - wählen sie wieder einen anspruchsvollen Chorsatz. Reinhard Kammler lässt sich ganz auf den Ort und dessen (konfessions)geschichtlichen Rang ein, bot vielleicht weniger ein Reformations-, mehrheitlich doch Gegenreformationskonzert, machte daraus - der Begriff sei wiederholt: eine Sternstunde der Renaissancemusik.

Variable Besetzungen, wechselnde Positionierung reizten die polyphonen Möglichkeiten aus, glutvoll noch im schlichten Satz Tomaso Luis da Vittoria. Vielchörig nehmen sich durch ein raffiniertes Wechselspiel noch an sich vierstimmige Sätze aus, was sich dann bis zur perfekt entfaltetet Zwölfstimmigkeit weitete, noch mehr dem Geist des Trienter Konzils verpflichtet. Überraschend breit nimmt Reinhard Kammler Heinrich Isaaks "O Welt ich muss dich lassen", spätestens Johann Walthers "Allein auf Gottes Wort" bedeutete dann puren Protestantismus, in Sekundschritten und verminderten Akkorden und metrisch höchst variabel bestreitet Max Baumann einen kurzen Ausflug ins 20. Jahrhundert.

Stets auf Stimmfärbungen bedacht, bei höchster Transparenz, vergisst der Dirigent nie das kontrapunktische Fundament. Einmal mehr die Summa nicht nur sakraler Musik: Johann Sebastian Bach, all die Facetten des zuvor Gehörten zur - achtstimmig ! - Vollendung gebracht.