Neuburg
Ein Sommelier fürs Bier

Im Geschmacks-Seminar bei Christoph Pinzl lernen die Teilnehmer die Feinheiten der Braukunst

26.09.2016 | Stand 02.12.2020, 19:15 Uhr

Runterschütten verboten: Im Bier-Seminar von Christoph Pinzl geht es um den Geschmack. - Foto: Hammerl

Neuburg (DK) Einen Sommelier für Wein kennt man - aber für Bier? Das ist ungewöhnlich. Das Geschmacksseminar im Stadtmuseum war deshalb etwas Besonderes.

Sieben Biere in knapp drei Stunden - das gibt es nur unter Zechbrüdern, oder im Bierseminar bei Christoph Pinzl. "Machen Sie Ihre Fotos am Anfang", rät der Diplom-Biersommelier und Leiter des Hallertauer Hopfenmuseums augenzwinkernd, "ich weiß, wovon ich rede". Dabei geht es keineswegs um "Kampftrinken und Warten, bis der Rausch kommt", sondern um den Gaumenkitzel, den preisgekrönte Biere erzeugen, wenn der Genießer bereit ist, sich auf neue Biersorten oder ungewöhnliche Geschmacksnuancen einzulassen. Sauerbier beispielsweise ist so eine Sache, die in Bayern eher unbekannt ist oder schlicht in die Kategorie verdorben fällt. Und doch gibt es in München einen Brauer, der sich auf Berliner Weiße spezialisiert hat, oder besser gesagt. "Berliner Style Weisse", denn das Original genießt natürlich Regionalmarkenschutz. Getrunken wird das Sauerbier mit dem interessanten Namen "1809" - ein Hinweis auf die französischen Hugenotten, die die Tradition des Sauerbiers wohl nach Deutschland brachten - allerdings nicht in München. Fritz Briem vertreibt es ausschließlich in den USA.

Ehe Pinzl die erste Flasche öffnet, lässt er die rund 20 Teilnehmer des ersten Bierseminars im Neuburger Stadtmuseum ihre Handys und Kameras in Sicherheit bringen. Denn den "Champagner des Nordens", wie in Frankreich Sauerbiere genannt werden, drängt es aus der Flasche, sobald der Kronkorken entfernt wird. Der Schaum im Glas verzieht sich jedoch rasch und aus dem Probierglas, das einem Weinglas ähnelt, dringt ein frisch-fruchtiges Aroma, gepaart mit kräftigem Hefegeruch in die Nasen der Verkoster, die sich in der Pause mit Schmalz- und Obazdaschnitten für die zweite Runde gestärkt haben. Denn die hat es in sich, während Pinzl es zu Beginn vergleichsweise ruhig angehen ließ - mit dem mit der Gold-Medaille beim European Beer Star Award ausgezeichneten Pils der Passauer Brauerei Löwenbräu - nicht zu verwechseln mit dem Münchner Löwenbräu, das bei Blindverkostungen ebenfalls sehr gut abschneide, wie er anmerkt. Er lässt seine Schützlinge Farbe, Geruch, Durchsichtigkeit prüfen, ehe es ans Kosten geht und erklärt, dass solch untergärige Biere eine moderne Errungenschaft der vergangenen 50 Jahre seien, zuvor habe es die technischen Möglichkeiten gar nicht gegeben. Immer wieder flicht der studierte Volkskundler historisches Hintergrundwissen ein. Es folgt ein Ayinger Weizenbier, bei dem der Hopfen im Vergleich zum Pils deutlich in den Hintergrund tritt - zugunsten eines fruchtigen Geschmacks. Muskat, Gewürznelke und Zitrone werden von den Teilnehmern genannt, Banane als Geschmackskomponente bringt der Sommelier ins Spiel. Ein kastanien- oder mahagonifarbenes Freudenberger Dunkel, ein typisch bayerisches Dunkles, ebenfalls mit dem European Beer Star ausgezeichnet, beendet die Runde der bekannten Biersorten.

Im zweiten Teil wird es international. Dem Sauerbier folgt ein schottisches Stout, das kräftiger Röstgeschmack auszeichnet, der Museumsassistentin Sabine Rademacher, die das Seminar organisiert hat, an Kaffee erinnert, andere an Schokolade, etlichen aber zu herb erscheint, um wirklich zu munden. Sehr fruchtig und mit dem veritablen Alkoholgehalt von acht Prozent bildet das Double Indian Pale Ale aus Santiago einen starken Kontrast zum Stout. "Stark gehopfte Biere wie das Pale Ale beschäftigen uns in der Hallertau momentan sehr", erzählt Pinzl. Weniger, weil sie hier gebraut würden, sondern weil solche Craft Biere den Hopfenbedarf ankurbeln. Weltweit machten sie nur etwa zwei Prozent aus, benötigten aber 20 Prozent der Hopfenproduktion, weil der Hopfen am Ende des Brauprozesses kalt hinzugegeben wird, so dass das Aroma nicht verloren geht. Die Geschmacksrichtungen werden also nicht künstlich erzeugt, sondern kommen aus dem Hopfen. "Das ist eine sehr natürliche Art zu brauen", betont Pinzl, "keine zugesetzten Schweinereien". Erfunden wurde das Hopfenstopfen oder Kalthopfen in einer Zeit, als Hopfen das einzige denkbare Konservierungsmittel für Bier war. Hopfen wurde also zugesetzt, um die lange Transportzeit von England nach Indien zu ermöglichen.

Mit einer Rarität, einem Trapistenbier aus Belgien, beendet er die gemütliche Runde im Rathausfletz. "Sehr interessant", findet Marion Regler aus Neuburg die ausländischen Biere, vor allem das Indian Pale Ale und das Trapistenbier haben es ihr angetan, letzteres sei "angenehm süß" gewesen. Interessant nennt auch Winfried Dier den Abend, "aber er hat mich zu dem Ergebnis gebracht, dass ich nun weiß, warum ich beim bayerischen Bier bleibe".