Neuburg
Ein Leben hinter der Mauer

Die palästinensische Christin Faten Mukarker erzählt vom Alltag in Zeiten des Nahostkonflikts

03.07.2015 | Stand 02.12.2020, 21:07 Uhr

Nach dem Vortrag bot Faten Mukarker Handarbeiten aus ihrer Heimat an, unter anderem Webarbeiten und Olivenholzarbeiten - Foto: Hammerl

Neuburg (DK) Einen atemberaubenden Vortrag hielt Faten Mukarker im Pfarrsaal Heilig Geist. Leise, unaufdringlich, aber tief unter die Haut gehend, beleuchtete sie die Geschichte Israels und Palästinas, den daraus resultierenden Konflikt und den Alltag der Palästinenser hinter Mauern.

Die palästinensische Christin (kleines Foto), die in Deutschland aufwuchs, schilderte militärische Auseinandersetzungen, Checkpoint-Schikanen und Landnahme eher nebenbei, legte stattdessen den Fokus auf Ursachenforschung, spürte den Ursprüngen der heutigen Probleme nach, erklärte sie, weckte Verständnis, warb um Touristen, die Normalität brachten, fand aber auch deutliche Worte für das, was sie „Staatsräson der Deutschen“ nennt. Als Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Deutschen Mauerfalljubiläum von Hoffnung für ähnlich gelagerte Fälle sprach, vermisste Mukarker in Merkels Aufzählung Palästina. „Haben wir keine Mauer, warum hat sie uns vergessen“ habe damals ihre jüngste Tochter während der Fernsehübertragung gefragt. Unerwähnt blieben die Palästinenser auch, als Merkel zum 60-jährigen Jubiläum des Staates Israel gratulierte. Ein mit Mukarker befreundeter Jude habe das ihr gegenüber so kommentiert: „Immer noch lassen uns die Deutschen eine Sonderbehandlung zukommen“. Als sie ihn fragte, wie er das meine, erklärte er ihr, dass sich viele Israelis Normalität und Frieden wünschten anstelle einer Sonderbehandlung, die den Extremisten ewig garantiere, dass sie Waffen aus Deutschland oder Amerika bekämen. „Wir verlieren keinen Krieg, aber wir verlieren unsere Moral, denn Moral passt nicht zu Besatzung“, habe er ergänzt und auf Merkels Besuch in China hingewiesen, wo sie auf Menschenrechtsverletzungen hingewiesen habe. Das israelische Militär aber werde nie zurechtgewiesen.

Wenn sie als Fremdenführerin von Besuchergruppen angesprochen wird, die ihr sagen, sie freuten sich, „die andere Seite kennenzulernen“, dann antwortet Mukarker: „Nein, ich bin nicht die andere Seite, sondern nur eine Seite der anderen Seite.“ Womit sie meint, dass auf beiden Seiten der Mauer Menschen friedlich miteinander leben wollten, was aber von den Extremisten beider Seiten verhindert werde. Immer schon habe es in Palästina, das 1912 zu 95 Prozent den Palästinensern gehörte, jüdische Präsenz gegeben – und ein friedliches Miteinander. „Der Konflikt ist uns importiert worden“, sagte sie und erläuterte, wie Europa sich aus schlechtem Gewissen – denn auch die Siegermächte und neutralen Staaten hatten den Juden nicht wirklich geholfen – auf die Suche nach einem „Land ohne Volk für ein Volk ohne Land“ aufgemacht hatte. „Aber Palästina war nie menschenleer“, erklärte die 59-Jährige. Warum die Bewohner übersehen wurden, kann sie nicht sagen, verweist aber auf Fakten: „Man kann uns nicht einfach ignorieren, wir sind vier Millionen Menschen“.

Neben der Politik nimmt sich die Referentin Zeit für persönliche Geschichten – für kleine Anekdoten, die bei allem Ernst des Themas sowohl ihr selbst wie ihren rund 50 Zuhörern ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Wenn sie beispielsweise erzählt, wie ihr Großvater ihr erstmals in Bethlehem die Geburtsgrotte Jesu zeigte und sie nach dem Stall fragte. Wie sie darauf komme, fragte der Großvater und sie erklärte ihm, die Deutschen sprächen von einem Stall, in dem Christus geboren wurde, und die Deutschen wüssten alles. „Da aber irren sie sich“, antwortete er, „alle Menschen hier lebten damals in Höhlen und Grotten“.