Neuburg
"Eigentlich muss man Wildschwein gewesen sein"

Bei Treibjagd in Grünau 21 Schwarzkittel erlegt Insgesamt sind 100 Sauen das Ziel

15.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:48 Uhr

Foto: Klaus Peter Frank

Neuburg (DK) Als die Neuburger Jagdhornbläser ihr "Jagd vorbei" vor dem Schloss Grünau intonierten, war ein erfolgreicher Tag im Auwald zu Ende. 21 Wildschweine und zehn Rehe waren zur Strecke gebracht.

Begonnen hat die Treibjagd im mittleren und östlichen Auwald mit Schneeflocken, die waagrecht daherkamen. "Es war krachend kalt", berichtet Jagdleiter Harald Textor, Oberforstdirektor beim Wittelsbacher Ausgleichfonds und damit Gastgeber des Treibens. "Es war in zweifacher Hinsicht ein richtiges Sauwetter, denn die Wildschweine sind marschiert." Das weniger aus freien Stücken. Etwa 20 Treiber, 30 Jagdterrier und Dackelhunde, die das Schwarzwild auf die 80 Schützen zutrieben, brachten Bewegung in die Rotten. Dann hat es plangerecht geknallt und in der Masse waren es Frischlinge und Überläufer, also junge Tiere, die auf der Schwarte liegen blieben. "Wenn man sich als Treiber abmüht, ohne das etwas geschossen wird, das ist Höchststrafe", erinnert sich Textor an eigene Erfahrungen.

Der Oberforstdirektor hat ein Faible für die Schwarzkittel. "Sie leben in einem Dreigenerationenhaushalt. Die Alphabache, die wir bei der Jagd schonen, leitet die Rotte, die Keiler haben nichts zu sagen. Wildschweine sind soziale und hochintelligente Tiere. Man muss das Jagen verstehen, muss sich in die Tiere hineinversetzen können. Eigentlich muss man ein paar Jahre lang selbst ein Wildschwein gewesen sein", erklärt Textor schmunzelnd.

Dennoch wird Jagd auf sie gemacht. "Wir wollen damit ein Zeichen für die Landwirtschaft setzen und guten Willen zeigen, weil die Tiere massive Schäden anrichten." Zwar gibt es Pflanzen, die erst durch den Verdauungstrakt der Wildsau gehen müssen, um keimfähig zu werden, die aber wachsen halt nicht auf den Feldern. Dort sind es Kartoffeln und Getreide, die von den Sauen durch Wühlen und Fraß vernichtet werden. Zwei Treibjagden, eine im Dezember, eine im Januar, sollen den Bestand auf ein erträgliches Maß reduzieren, schließlich wollen die Jäger keine Berliner Verhältnisse. Dort hat sich das Schwarzwild stark vermehrt, dringt in Parks und Gärten ein und wurde sogar schon am Alexanderplatz gesichtet. Mit beiden Jagden und einigen Einzelabschüssen will Textor pro Saison der Natur etwa 100 Tiere entnehmen. Aber es ist nicht allein ein Zeichen für die Landwirtschaft, Wildschweine schmecken auch gut. In sogenannten Mastjahren, wenn in Buchenbeständen pro Hektar etwa 1800 Kilogramm Bucheckern auf den Waldboden gelangen und sich die Sauen daran gütlich tun, wirkt sich das auf die Fleischqualität aus. "Das Fleisch bekommt dann einen nussigen, kernigen Geschmack, der in der Gastronomie sehr begehrt ist", weiß Textor. Doch auch diese Medaille hat zwei Seiten. Nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl hat das Wildbret immer wieder hohe Strahlenwerte, verursacht durch Caesium 137. Die Belastung durch das radioaktive Isotop ist regional recht unterschiedlich. Der Wittelsbacher Ausgleichsfonds lässt seine Schweine untersuchen. Bis zu 600 Becquerel darf das Fleisch in Verkehr gebracht werden. "Hier ist es immer zwischen 0 und 160, im Mittel etwa 40", gibt der Jagdleiter Auskunft - und damit deutlich unter der Strahlenbelastung eines Transatlantikfluges.

Als am Samstag um 8.30 Uhr zur Jagd geblasen wurde, lag hinter dem Gastgeber ein halbes Jahr Vorbereitung. Hundegespanne müssen engagiert, Hochsitze überholt, Wechsel überprüft werden. Bei der Jagd ist ein Tierarzt dabei, sollte eines der Wildschweine den Hunden am Zeug flicken. Für die Jäger wird auch ärztliche Versorgung bereitgehalten. "Zum Glück ist alles unfallfrei verlaufen", zog Textor mit Beginn der Abenddämmerung und bei erneutem Schneetreiben vor dem Jagdschloss Grünau Bilanz. Er zeigte sich mit der Disziplin der Schützen zufrieden. Die dürfen sich auch nicht wie der Jäger aus Kurpfalz fühlen und das Wild schießen "gleich wie es ihm gefällt". Sie müssen sich einem 20-Punkte-Sicherheitsprogramm unterwerfen. "Nicht auf Wege schießen, nicht in Richtung anderer Schützen, nicht ins Wasser, nicht ins helle Licht - also nicht waagrecht", zählt Textor ein paar Beispiele auf. Durch die Ansitze geht der Schuss schräg nach unten. Damit ist der Waldboden der Kugelfang, sollte das Stück gefehlt werden, oder das Projektil durchschlagen. "Die Disziplin war in Ordnung", zeigte er sich zufrieden.

Voraussetzung, um an der Jagd teilnehmen zu können, ist ein Besuch im sogenannten Schießkino, wo jeder Jäger seine Fähigkeiten überprüfen und verbessern kann. "Wir üben nicht auf lebendes Wild", versichert der Jagdleiter.

Dennoch sind auch bei diesem Treiben nicht alle Tiere sofort gefallen. Vier Nachsuchen mit ausgebildeten Hunden sollten die angeschweißten Sauen möglichst rasch erlösen. "Das gehört zum Tierwohl und zum Tierschutz", sagt Textor, der schon als Dreijähriger von seinem Vater zur Jagd mitgenommen wurde und das freie Leben des Wildes und das Finale durch die Kugel als artgerecht klassifiziert. In dieser Hinsicht, so lässt er anklingen, hätten es viele Mastschweine in Intensivhaltungen sicher schlechter getroffen.

Am späten Nachmittag war dann auch diese Jagd vorüber. Vor dem Schloss Grünau nahmen Karl-Gerd Heumann und seine Jagdhornbläser Aufstellung, intonierten ihr "Jagd vorbei", das "Auf zum fröhlichen Jagen" und einen Jägermarsch. "Das sind die Besten Bayerns und damit auch Deutschlands", würdigte der Jagdleiter das Können der Neuburger, die mit ihren Hörnern eine jahrhundertealte Tradition am Leben erhalten. Einziger Wermutstropfen war die fehlende Strecke. "Aus hygienischen Gründen haben wir darauf verzichtet", erklärte Textor in die Runde.