Neuburg
"Ehemänner sind am gefährlichsten"

Kriminalist Josef Wilfling fesselt seine Zuhörer 90 Prozent der Mörder sind Männer

24.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:25 Uhr

Josef Wilfling erzählte in Neuburg von seinen Erfahrungen in der Münchener Mordkommission. - Foto: rhp

Neuburg (rhp) 120 Besucher lauschten in der Buchhandlung Rupprecht mehr als eineinhalb Stunden gebannt den Erzählungen von Josef Wilfling, der 22 Jahre bei der Münchner Mordkommission für die Aufklärung von Mord und Totschlagsdelikten zuständig war.

Der Hauptkommissar wirkte unter anderem bei der Aufklärung der Morde an Walter Sedlmayr und Rudolph Moshammer sowie den Verbrechen des Serienmörders Horst David mit. Wilfling, der schon während seiner Dienstzeit für die hauseigene Polizeizeitung Glossen und Analysen geschrieben hatte, verarbeitete die Erfahrungen aus seiner Dienstzeit als Buchautor. Drei Bücher schrieb er inzwischen, er ist zum gefragten Referenten geworden.

"Ich will Sie nicht traumatisieren, ich will Sie informieren", begann der Referent nach einer kurzen Vorstellung eine Erzählungen. In einer gemütlichen, man möchte fast sagen urbayerischen, aber auch immer wieder humorvollen Art faszinierte er seine Zuhörer. Kriminalromane und -filme haben ihre Berechtigung, "mehr als Liebesromane" meinte er. Krimis seien gefragt, weil das Böse die Menschen fasziniere.

Warum werde in Krimis immer gemordet? Josef Wilfling: "Wirtschaftskriminalität interessiert kein Schwein, es muss Blut fließen". Die Realität sehe aber anders aus, als in den Krimis gezeigt werde. Ein Schimanski hätte bei der Mordkommission keine Chance. Einzelermittler gebe es nicht. Mördersuche gehe nur mit einem großen Team. Was Krimis auch nicht zeigen würden, sei die Angst, die alle Menschen befalle, in deren Haus oder Gemeinde ein Mord geschehe, vor allem, wenn sich heraus stelle, dass der Mörder ein ganz normaler Mitbürger aus der Nachbarschaft sei.

Wenn man Nachrichten höre, sehe oder lese, könne man meinen, Mord und Totschlag seien an der Tagesordnung. Die Mordrate in Deutschland sei jedoch sehr gering, so Wilfling. Von 194 statistisch erfassten Ländern rangiere Deutschland auf Platz 188. In Honduras liege die Rate mehr als hundertmal höher; das Land liege damit auch auf dem ersten Platz. München sei eine der sichersten Großstädte weltweit und die bayerische Polizei eine der besten, auch weltweit.

Noch eine gute Nachricht: Die Tötungsdelikte hätten sich in den vergangenen 20 Jahren nahezu halbiert. Als Ursachen nannte Josef Wilfling die Emanzipation der Frauen, die sich von den Ehemännern nicht mehr unterdrücken ließen, die alternde Gesellschaft und die sexuelle Toleranz, die seit den 50er Jahren erheblich zugenommen habe. Die Aufklärungsquote sei ebenfalls gestiegen, was zum einen auf die Möglichkeit des Computervergleichs von Fingerabdrücken, zum anderen auf die Untersuchung von DNA-Spuren zurückzuführen sei.

Zu den Tötungsmethoden sagte Wilfling: "Die meisten Morde geschehen mit dem Messer, vor allem dem Küchenmesser." Das weise auch schon auf eine der häufigsten Ursachen hin, die Beziehungstat. Die meisten Delikte geschähen im menschlichen Nahbereich. "Die gefährlichste Gruppe sind die Ehemänner", so der Referent. Überhaupt seien 90 Prozent der Mörder Männer, nur zehn Prozent Frauen. In der Brutalität der Tat bestehe zwischen ihnen aber kein Unterschied. Interessanterweise würden aber zwei Drittel der Mordversuche schief gehen, das Opfer überlebe.

Was aber sind die Ursachen für Mord? Josef Wilfling nannte vier "Schubladen", in die er alle Fälle aus seiner Dienstzeit habe einordnen können: den Selbsterhaltungstrieb, den Sexualtrieb, die Psyche und die Emotion. Das seien alles gute Eigenschaften der Menschen, sie könnten aber auch bösartig werden, wenn Selbsterhaltung in Habgier, der arterhaltende Sexualtrieb in Triebhaftigkeit umschlage und wenn die Seele erkranke (Psychopathen).

Aber 95 Prozent aller Fälle seien Affekthandlungen, wenn Liebe in Hass umschlage und ein Streit außer Kontrolle gerate. Jeder Mord habe eine unheilvolle Vorgeschichte. Die Hemmschwelle, Menschen zu töten, sei unterschiedlich hoch. Sie sei von der Erziehung und der Umwelt abhängig.

Das Mitglied einer Jugendbande in Rio de Janeiro habe eine niedrigere als etwa ein junger Neuburger. Die Schwelle sei gar nicht da, wenn das Unrechtsbewusstsein fehle wie bei den sogenannten Ehrenmorden oder auch bei Massenmorden in der Nazizeit.

Eine gute Bildung kann helfen und beschützen. 44 Prozent aller Täter hätten keinen Schulabschluss, aber nur drei Prozent einen Hochschulabschluss. Am Ende der Lesung gab der Kriminalist dem Publikum zwei Empfehlungen: "Halten Sie die Augen offen bei der Partnerwahl" und "bleiben Sie immer schön brav".