Neuburg
Die "recycelte" Schlosskapelle

Reinhard Seitz hat einen neuen Kirchenführer geschrieben Spannende Entdeckungen über Bauteile

20.06.2016 | Stand 02.12.2020, 19:39 Uhr

Gefragter Autor: Reinhard Seitz, der heute seinen 80. Geburtstag feiert, signierte nach dem Vortrag zahlreiche Bücher, wobei er sich teils sehr persönliche Widmungen einfallen ließ. - Foto: Hammerl

Neuburg (ahl) Sie ist weltweit die älteste, speziell für das evangelische Bekenntnis ausgemalte Kirche. Mit dem reich bebilderten, 70 Seiten starken Buch "Die Schlosskapelle zu Neuburg an der Donau - Einer der frühesten evangelischen Kirchenräume" des Historikers Reinhard Seitz gibt es nun einen neuen, ausführlichen und wissenschaftlich fundierten Kirchenführer für diesen bedeutenden Kirchenraum, der Reformation und Gegenreformation miterlebte.

Seitz, der als Direktor des Staatsarchivs viele Jahre direkt neben der Kapelle arbeitete, hat sich intensiv mit ihrer Baugeschichte auseinandergesetzt und ist auf neue Erkenntnisse gestoßen, die er lebendig und unterhaltsam schildert.

Im passenden Ambiente des Rittersaals, mit Musikbeiträgen der Neuburger Hofmusik, stellte der Autor gemeinsam mit Verleger Christoph Konrad sein Werk vor, das eigentlich viel früher hätte erscheinen sollen. Die Initiative dazu war bereits um die Jahrtausendwende vom früheren Christuskirchen-Pfarrer Gerhard Steiner ausgegangen, der Seitz nach dessen Pensionierung gefragt hatte, ob er nicht einen Kirchenführer schreiben wolle. Nachdem Seitz den vor 40 Jahren erschienenen Vorgänger fürs Kollektaneenblatt rezensiert hatte und selber nicht mit den darin entwickelten Theorien des Autors Horst Stierhof zum "merkwürdig trapezförmigen und eben nicht rechteckigen" Grundriss einverstanden war, begann er schließlich mit eigenen Recherchen. Zwischenzeitlich strich der Kirchenvorstand der Christuskirche die Segel wegen unsicherer Finanzierung, heuer wandte Seitz sich dann an den Konrad-Verlag, der das Werk in Rekordzeit herausbrachte.

"Gut also, dass die Publikation nicht schon früher erschienen ist", fand Seitz auch Vorteile in der späten Geburt seines Werkes, denn "erst um Pfingsten 2015 wurden für mich letzte Einzelheiten klar". Er hatte beobachtet und überlegt - und dann die Indizien zusammengesetzt, um dem wahren Alter der Schlosskapelle auf die Spur zu kommen. Sein Fazit: Ottheinrich baute die Kapelle in rund 100 Jahre ältere Bauteile des Schlosses von Ludwig dem Gebarteten ein, hat diese "ganz einfach nur recycelt". Welche Bauteile und wie Seitz ihnen auf die Spur kam, lässt sich in einem spannenden Kapitel des Buches nachlesen. Ohne jenes - bereits repräsentative - Vorgängerschloss wäre Neuburg niemals Sitz des kleinen, eigens für die Vollwaisen Ottheinrich und Philipp geschaffenen Fürstentums geworden, merkte Seitz kurz an, ehe er seinen Zuhörern im voll besetzten Rittersaal die Baugeschichte von erster Auftragsvergabe 1537 bis zur Einweihung anno 1543 durch den Nürnberger Reformator Andreas Osiander beschrieb.

Auch einen Bezug zur Ausstellung "Kunst und Glaube" findet Seitz. Er vermutet, dass die Ottheinrichbibel in der alten Kapelle im nördlichen Wohnbau des Schlosses von Ludwig dem Gebarteten gefunden wurde, als dieser Trakt anlässlich der Hochzeit Ottheinrichs mit Susanna anno 1529 renoviert wurde. In einigen Illustrationen von Mathis Gerung seien die Gesichtszüge von Ottheinrich und Susanna zu finden - Ottheinrich beispielsweise als Hauptmann in der Kreuzigungsszene, Susanna als eine neben ihm stehende Frau, was zuerst Stadtführerin Ute Elias aufgefallen war. Ein interessantes Wortspiel hat sich der Buchautor zum Abschluss seiner hintergründigen Rede einfallen lassen: Aus "Kunst und Glaube" werde durch Tausch der Anfangsbuchstaben "Gunst und klaube". Und Seitz erzählt, wie Ottheinrich, der aus seiner Sicht zwar kunstverständig, aber nicht wirklich kunstsinnig gewesen sei, seine "Gunst" der Stadt Lauingen schenkte, und im Gegenzug 15 000 Gulden in Gold "klaubte", sprich schenken ließ für erhaltene Zugeständnisse.