Neuburg
Die Wahrheit kennen nur die drei

JVA-Prozess gegen zwei junge Männer endet mit Verurteilungen wegen Freiheitsberaubung

03.07.2015 | Stand 02.12.2020, 21:07 Uhr

Neuburg (DK) Der Mammutprozess am Neuburger Amtsgericht gegen zwei junge Männer, die ihren Mithäftling in der JVA Herrenwörth aufs Übelste misshandelt und sogar vergewaltigt haben sollen (wir berichteten), ist gestern nach elf Verhandlungstagen zu Ende gegangen. Beide Täter wurden verurteilt.

Für die beiden Angeklagten stand viel auf dem Spiel gestern. Denn was Staatsanwalt Robert Pohle ihnen vorgeworfen hatte, war alles andere als ein dummer Streich unter Zellengenossen: Freiheitsberaubung, Körperverletzung, Vergewaltigung. Konkret sollen die beiden ihr Opfer mit der Rasierklinge in den Unterarm geschnitten und Salz in die Wunde gestreut haben, ihn gezwungen haben, einen Ekel-Cocktail zu trinken, ihn in der Toilette eingesperrt und ein brennendes Papier unter dem Türschlitz durchgesteckt haben, ihn in ein Bettlaken eingewickelt und mit dem Finger vergewaltigt haben. Vorwürfe, die es in sich haben, besonders dann, wenn sie im Gefängnis passiert sein sollen. Denn die Haftstrafe ist ja eigentlich dafür da, für Taten aus der Vergangenheit geradezustehen und nicht, um im Knast erneut straffällig zu werden.

Viele Zeugen wurden gehört im Laufe der elf Verhandlungstage, Gutachter, Psychologen und Justizvollzugsbeamte. Doch sie alle waren nicht dabei, als die angeblichen Misshandlungen stattgefunden haben – nämlich abends und nachts in der Gemeinschaftszelle der drei Häftlinge. Einzig bei einem Vorfall waren andere Insassen anwesend. Als die Angeklagten nämlich ihr Opfer in die Toilette eingesperrt haben, da holten sie die anderen Burschen aus den umliegenden Zellen dazu, um sich gemeinsam über die Schikane zu amüsieren. Und genau das sagten diese Zeugen auch im Laufe des Verfahrens aus. Weitere stichhaltige Beweise gab es keine. Das Opfer hatte sich nach dem angeblich wochenlangen Martyrium irgendwann Beamten in Herrenwörth anvertraut und die Taten zur Anzeige gebracht. Eine Genital-Untersuchung jedoch lehnte der 22-Jährige ab.

So standen die Prozessbeteiligten rund um Richter Gerhard Ebner gestern nun vor der Aufgabe, die Taten strafrechtlich zu bewerten. Staatsanwalt Robert Pohle war der erste, der sein Plädoyer halten durfte. Er sah keinen Grund, dem Opfer keinen Glauben zu schenken und forderte für beide Täter eine Verurteilung in allen Punkten. Er sprach sich dafür aus, die beiden für jeweils ein Jahr und zehn Monate zu verurteilen. Die beiden Anwälte der Angeklagten, Hanspeter Ross und Florian Engert plädierten dafür, ihre Mandanten freizusprechen. Die Körperverletzungen seien nicht nachweisbar, und die Freiheitsberaubung in der Toilette und im Bettlaken nur „kurzfristiger Natur“ gewesen und deshalb strafrechtlich nicht relevant.

Richter Gerhard Ebner verurteilte die beiden schließlich zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zehn Monaten. „Wegen der Freiheitsberaubungen“, erklärte er. „In allen anderen Fällen werden sie freigesprochen. Es gibt zu viele Widersprüche in der Aussage des Opfers.“ Außerdem sei er wiederholt als Mensch beschrieben worden, der es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt. „Und“, so Ebner weiter, „er saß wegen Betruges in der JVA. Das ist ein Indiz für eine entsprechende Persönlichkeitsstruktur“. Er sage nicht, dass das Opfer gelogen habe, nur: „Wir waren nicht dabei, wir wissen nicht, was war. Und es gibt keine objektiven Beweise.“

Der 20-jährige Angeklagte ist als 17-Jähriger wegen eines Sexualdelikts zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt worden, er wäre eigentlich im November ein freier Mensch gewesen. So wird er wohl erst im Herbst des nächsten Jahres das Gefängnis verlassen. Sein 22-jähriger Kumpan hat seine letzte Haftstrafe mittlerweile abgesessen, die vergangenen drei Monate verbrachte er allerdings wegen Fluchtgefahr in U-Haft. Seine Freiheitsstrafe setzte Ebner auf Bewährung aus. Der junge Mann hat einen Ausbildungsplatz und eine Wohnung. Das Opfer hatte für das Urteil nur Kopfschütteln übrig.