Neuburg
''Die Goldmedaillen schaue ich nicht jeden Tag an''

Olympiasieger Gustav Gross erinnert sich an Nagano 1998

14.03.2018 | Stand 02.12.2020, 16:41 Uhr

Vor der Abfahrt im Allgäu: Gustav Gross zeigte seinen Söhnen Kilian und Falko im Januar, wie man mit Monoski rasant fährt. - Foto: privat

Neuburg (DK) Er ist Doppel-Olympiasieger, wohnt in Neuburg, arbeitet in Ingolstadt und kommt im Alltag gut zurecht: Gustav Gross (48), Rollstuhlfahrer, hat vor 20 Jahren bei den Paralympics im japanischen Nagano zwei Goldmedaillen und eine silberne im Monoskifahren gewonnen. Das Thema Leistungssport ist bei ihm "durch", sein Einsatz gilt allgemein den Belangen von behinderten Menschen.

Gustav Gross ist seit dem 18. Lebensjahr nach einem Motorradunfall querschnittgelähmt.

 

Herr Gross, verfolgen Sie die Paralympics in Pyeongchang im Fernsehen?

Gustav Gross: "Ja klar, die Zusammenfassungen schaue ich an. Es kommen Erinnerungen hoch. Wenn etwa Anna Schaffelhuber beim Olympiasieg sagt, dieses besondere Gefühl könne jetzt kein Mensch auf der Welt verstehen, dann weiß ich, was sie gemeint hat."
 

1998 in Nagano hat es gut geklappt.

Gross: "In der Abfahrt bin ich Zweiter geworden, dann war der Druck weg. Man fährt dann leichter, man schwebt fast über dem Boden."

 

Im Super-G und Riesenslalom waren sie ganz vorne.

Gross: "Das war natürlich phantastisch. Ich wäre aber auch mit einer Medaille zufrieden gewesen. Nur Platz vier, die Blechmedaille, das wäre ärgerlich gewesen."

 

Was hat sich seitdem im Behindertensport allgemein geändert?

Gross: "Der Stellenwert ist deutlich gestiegen, man schaut besonders auf die Leistungssportler und natürlich auch auf den Medaillenspiegel. Martin Braxenthaler hat mit seinen Erfolgen viel dazu beigetragen. Damals bei der WM in Lech, ich wurde Dritter, waren vielleicht 200 Zuschauer. Bei den Paralympics ist die Resonanz weltweit."

 

Die Medaillen sind gut verwahrt?

Gross: "Natürlich, aber schaue sie nicht jeden Tag an. Damals habe ich immerhin 5400 Mark für die drei Erfolge erhalten. Heute ist ein besseres Marketing möglich."

 

Sie haben dann ziemlich rasch mit dem Leistungssport aufgehört?

Gross: "Man muss Vollprofi sein, um vorne mitzufahren. Da war mir mein Arbeitsplatz bei der Stadt Ingolstadt lieber. Ich bin der Stadt sehr dankbar, dass ich einen festen Arbeitsplatz (halbtags) habe. Rollstuhlfahrer bekommen nicht so leicht einen Job."

 

Olympiasiege können da schon hilfreich sein?

Gross: "Sicher, aber man muss auch an die normalen Rollstuhlfahrer denken. Seit meinem Unfall haben sich das Bewusstsein für Behinderte und die Barrierefreiheit deutlich verbessert. Man kann aber nicht erwarten, dass jeder Laden ein Behinderten-WC und einen Aufzug hat."

 

Treffen Sie noch auf Vorbehalte?

Gross: "Wenig. Das Beste ist, wenn ein Behinderter so angenommen wird, wie er ist. Und wenn anerkannt wird, dass er gemäß seiner Möglichkeiten auch volle Leistung bringen kann."

 

Die blinde Verena Bentele soll jetzt VdK-Präsidentin werden.

Gross: "Davor habe ich größten Respekt. Sie könnte für uns bundesweit sicher einiges bewirken. Verena ist eine Persönlichkeit, und ihre zwölf Goldmedaillen sind sowieso einmalig."

 

Ihre beiden Söhne lernen in der Paul-Winter-Realschule, fahren sie auch Ski?

Gross: "Kilian und Falko sind das Wichtigste für mich. Im Januar waren wir in Unterjoch im Allgäu. Und die beiden sind rasant die Abfahrt runtergerauscht."

 

Das Gespräch führte Winfried Rein.