Neuburg
Der Tonnenstreit feiert Jubiläum

Bis heute dominiert ein Privater den Altpapiermarkt und der Landkreis hat das Nachsehen

19.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:56 Uhr

Die Papiertonnen im Landkreis werden zuverlässig von der Firma Gigler gestellt und geleert. Der Rechtsstreit des Unternehmens mit dem Landkreis geht trotzdem weiter - möglicherweise bis zum Bundesverwaltungsgericht. - Foto: r

Neuburg (DK) Vor zehn Jahren drängte der Schrobenhausener Entsorger Gigler mit seiner Blauen Tonne auf den Altpapiermarkt. Der Landkreis wollte das unterbinden, scheiterte zunächst, bekam jetzt recht. Doch zu Ende ist das Tauziehen noch nicht.

Am Freitagnachmittag saßen die Werkausschussmitglieder einmal mehr beisammen. Unter anderem ging es dabei um die Blaue Tonne und wie es nun weitergehen soll (siehe eigenen Bericht). Schließlich hat der Kreistag bereits im Oktober 2011 einstimmig beschlossen, den Bürgern eine kommunale Tonne vor die Haustüre zu stellen, auf dass das Papier zu Nutz und Frommen des Landkreises und seiner Gebührenzahler gesammelt werde. Aus dem hehren Vorhaben ist bislang nichts geworden. Und wann daraus etwas wird, lässt sich vielleicht aus dem Kaffeesatz lesen.

Die Geschichte ums Altpapier im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen ist inzwischen jubiläumsreif. Es war im Jahr 2008, als die Schrobenhausener Entsorger ihre Blauen Tonnen an all die Haushalte verteilten, die sie haben wollten. Das Prinzip war einfach: Tonne und Abfuhrservice gab's gratis, Gigler verwertete das Material gewinnbringend. Der Kreis zog vor den Kadi, unterlag aber im November 2008 vor dem Verwaltungsgerichtshof. Im Oktober 2011 legte dann der Kreistag seinen Beschluss nach, die kommunale Papiertonne einzuführen, mit europaweiter Ausschreibung, wie es in diesem Fall Pflicht ist.

Geraume Zeit richtete sich der Blick nach Leipzig, wo das Bundesverwaltungsgericht über einer Altkleidersammlung brütete. Ein Präzedenzfall. Ein wegweisendes Urteil wurde aus Sachsen erwartet. Das gab es dann auch. Am 12. Oktober entschied daraufhin einer der Senate am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in Ansbach zugunsten des Landkreises. Der, so der grundsätzliche Tenor, dürfe Gigler die Sammlung untersagen. Mit der Ausarbeitung des Urteils ließen es die Richter gelassen angehen, so dass es erst jetzt bei Landkreisverwaltung und Gigler eingetroffen ist.

Das Ende des Tauziehens bedeutet dieses Urteil aber nicht, denn die Ansbacher Richter erkannten eine Problemstellung von bundesweiter Bedeutung und ließen die Revision bei der höchsten Instanz in Leipzig zu.

Was nun? Zieht der Schrobenhausener vor das Bundesverwaltungsgericht? Nachdem das Ansbacher Urteil mit einer Frist versehen ist, hat Rolf Fischer, Geschäftsführer bei Gigler, einen Monat Zeit. Wie er sich entscheiden wird, bleibt vorläufig sein Geheimnis. Er müsse zunächst das Urteil samt Begründung durcharbeiten und dann entscheiden. "Ich gehe aber davon aus, dass wir in Revision gehen", sagte Fischer.

Sollte sich das Unternehmen an die Juristen in Sachsen wenden, greift die Untersagung durch den Landkreis nicht, und Gigler dürfte weiterhin sammeln, bis man in Leipzig zu einer abschließenden Entscheidung gekommen ist. Das kann Jahre dauern. Das Urteil kann für den Papierverwerter positiv oder negativ ausfallen. Bei einer Entscheidung zugunsten Giglers kann der seine Blauen Tonnen weiterhin leeren - wie jetzt auch ohne vertragliche Bindung. Schlägt sich das Gericht in seiner allumfassenden Unabhängigkeit auf die Seite des Landkreises, kann der Gigler zwar vom Hof jagen, muss dann aber selbst aktiv werden, weil die Altpapiererfassung zu seinen Pflichtaufgaben gehört.

Lässt es das Unternehmen bei der Ansbacher Entscheidung bewenden, wird die mit Fristende im Februar rechtskräftig. Dann greift auch die Untersagung, die das Landratsamt 2013 rausgeschickt hat. Gleichzeitig muss der Landkreis eine eigene Altpapiererfassung auf die Beine stellen. Die könnte darin bestehen, dass das Papier wieder über die Wertstoffhöfe erfasst und entsorgt wird. Als alleinige Entsorgungsschiene wird es dieses Modell aber wohl nicht geben, denn Landrat Roland Weigert (FW), den die Problematik seine gesamte bisherige Amtszeit begleitet hat, versichert: "Der Service Papiertonne bleibt den Bürgern auf jeden Fall - von wem auch immer."

Die Neuburg-Schrobenhausener werden den Landkreischef beim Wort nehmen, was die Einführung eines Holsystems bedeutet. Das kann mit eigenem Personal und eigenen Fahrzeugen geschehen, was bei dem engen Zeitrahmen eher unwahrscheinlich ist. Ergo wird es eine europaweite Ausschreibung geben. Bis deren Ergebnis umgesetzt ist, gehen wieder Monate ins Land. In der Zwischenzeit muss sich der Landkreis anderer Kräfte bedienen, um eine Pflichtaufgabe zu erfüllen.

Obsiegt das Unternehmen im Falle einer Revision auch in Leipzig, hat der Landkreis auf Dauer das Nachsehen. Doch was geschieht, wenn die Bundesrichter zugunsten des Landkreises entscheiden? Muss der dann nicht auf Schadensersatz klagen, weil dem Gebührenzahler ein finanzieller Verlust entstanden sein könnte? Geld verschenken darf der Kreis nämlich nicht. Noch gibt es viele Facetten der Blauen Tonne, deren finale juristische Aufarbeitung geraume Zeit andauern dürfte.