Neuburg
Die vielen Gesichter des Populismus

Wissenschaftler Rudolf Oswald referiert vor den Säkularen Humanisten in Neuburg

18.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:29 Uhr

Neuburg (DK) Rudolf Oswald beleuchtete bei den "Säkularen Humanisten" in Neuburg das Phänomen des weltweit stärker werdenden Populismus.

Eigentlich befasst sich Rudolf Oswald (kleines Foto) mit sporthistorischen Fragestellungen, beachtete dabei aber immer die politischen und ideologischen Aspekte des organisierten Sports. Der Lehrbeauftrage an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und Fellow am Institut für Fankultur in Würzburg legte in einem Referat bei der Gesprächsrunde der "Säkularen Humanisten" in Neuburg dar, was Populismus bedeutet, seine Geschichte und religionsnahen Vorstellungen.

Populisten verteufeln laut Oswald moderne Entwicklungen. Man kann sie mit drei "Antis" charakterisieren: Antimodernismus, Antiliberalismus und Anti-Islamismus. Ursünde sei der Ersatz des Glaubens durch Wissen seit der europäischen Aufklärung. Die "Kreationisten" zum Beispiel leugnen wissenschaftliche Fakten. Freiheit und Gleichheit würden gegen eine gottgewollte Ordnung verstoßen, ebenso Minderheitenrechte, Gleichberechtigung, Homosexualität und ein friedliches Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen. Besonders falsch sei es, im Glauben kritische Fragen zu stellen.

Populisten seien vor allem anti-islamisch. Wichtig sei ein äußerer Gegner. Die islamistischen Terroranschläge seien da gerade recht gekommen. Terror sei typisch für den Islam und richte sich gegen Christen und Juden, wie Beispiele aus mehr als tausend Jahren Geschichte zeigten. Dabei blende man aber, so Oswald, die politischen Ursachen dieser Auseinandersetzungen ebenso aus wie umgekehrt das Wüten christlicher Kriegshorden zum Beispiel während der Kreuzzüge. Christliches Abendland und christliches Mittelalter müssten verteidigt werden, sonst gehe Europa unter. "Wien darf nicht Istanbul werden", so schüre beispielsweise der österreichische Rechtspopulist Heinz Strache die Angst. Die Ursachen des derzeitigen islamistischen Terrors hinterfrage man nicht.

Populisten nützten die Gewalt der Sprache, auch für Lügen. Mit populistischen Parolen seien, so der Referent, in Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei autoritäre Staatsformen entstanden. Aber auch im Westen, ja weltweit, seien die Staaten durch rechtslastige Parteien gefährdet. Sie erfänden einen "Volkswillen", um damit große Menschenmengen anzusprechen. Das habe bereits religiöse Züge. Zu den Populisten zählt Oswald so unterschiedliche Typen wie Donald Trump, Stephen Bennon, Jaroslaw Kaczinski, Heinz Strache oder Bernd Höcke. Sie eine die Auffassung vom Irrweg der Moderne. Ihre rückwärtsgewandte Ideologie lehne die europäische Aufklärung und die französische Revolution als Ursünden der Moderne, als Angriff auf die gottgewollte Ordnung ab.

Der religiöse Populismus begann, so der Wissenschaftler, in den USA. Nach dem Bürgerkrieg ging es Anfang der 1880er-Jahre Arbeitern und Farmern wirtschaftlich schlecht. Sogenannte "Erweckungsprediger" gaben die Schuld dafür der modernen Politik. Sie gründeten die "Peoples Party" und mischten seit 1896 mit religiösen Parolen in jedem Wahlkampf mit. Sie waren gegen Einwanderer, gegen den politischen Einfluss der reichen Ostküste und gegen Modernismus. Auch im Deutschland der Adenauer-Zeit habe es religiös verbrämten Populismus gegeben. CDU und CSU hätten in den 50er-Jahren die germanisch-christlich-abendländische Kultur idealisiert, sich gegen Orient und Islam abgegrenzt und den Kommunismus als verwerflich gottlos betrachtet.

Demokratie habe man an den Schulen nicht gepflegt, dafür aber das Wunschbild eines christlichen Mittelalters. Das habe sich mit der 68er-Studentenbewegung geändert, lebe heute aber mit der AfD wieder auf.

Eine neue Situation sei mit den Terroranschlägen des 11. September 2001 in den USA entstanden. Sie hätten geistige Brandstifter wie Samuel P. Huntington, Jürgen Elsässer oder Martin Hohmann befeuert. Für sie gefährde der Islam die westliche Zivilisation. Auch die Freimaurer werden verteufelt, weil sie als Modernisierer wirkten. Ronald Reagan habe im Wahlkampf 1980 mit religiösen Fundamentalisten angebandelt. Seither seien die in der Republikanischen Partei aktiv (Tea-Party-Bewegung). Religiöse Populisten in den USA seien gegen staatliche Schulen, Sexualkunde, wissenschaftliche Biologie, Gleichberechtigung und viele moderne Errungenschaften mehr.

Fundamentalismus und Populismus finde sich vor allem in der katholischen Kirche. Rückwärtsgewandte Ideen hätten primär in Frankreich und bei den Pius-Brüdern überlebt. Sie stellten sich gegen Papst Franziskus, weil er Diskussionen auch über Glaubensfragen zulasse. Sie seien gegen die europäische Aufklärung, von der alle heutigen Probleme kämen. Zu den Fundamentalisten im deutschsprachigen Raum zählt Rudolf Oswald unter anderen Eva Herrmann und den Salzburger Noch-Bischof Andreas Laun. Der fürchte einen islamistischen und modernistischen Angriff auf das europäische Christentum. Homosexuelle, so sage er, seien gestörte Männer und Frauen und das Love-Parade-Unglück 2010 mit 21 Toten habe er gar als "gerechte Strafe Gottes" bezeichnet.

Religiös-populistische Bewegungen seien auch in Europa immer aktiver. In Russland betreibe dies ein Alexander Dugin. In Polen stütze sich die PIS-Partei auf reaktionären Katholizismus und die Landbevölkerung und bekämpfe die liberale Intelligenz und Kulturschaffende. In Ungarn verehre die Partei "Jobbik" gar die Pfeilkreuzler, die im Zweiten Weltkrieg Juden ermordeten. In den Niederlanden wolle Geerd Wilders die christliche Tradition in der Verfassung festschreiben lassen. Der Front National Frankreichs hasse den Islam und idealisiere das heilige französische Mittelalter. Die österreichische FPÖ sei klerikal-faschistisch. Auch die Populisten von AfD und Pegida in Deutschland propagierten das Ideal eines christlichen Ständestaates.

Der immer auch religiöse Populismus, so das Fazit des Referenten, wolle geistig zurück in die Zeit vor der europäischen Aufklärung. Seine Vertreter behaupten, Sprecher des Volkes zu sein. Das aber sei falsch. Sie gäben umgekehrt eine Richtung vor und behaupteten, das sei die Stimme des Volkes. Populisten wollen das Volk beherrschen. Leider vermittelten religiös autoritäre Gesellschaften ein Gefühl der Sicherheit. Werde die infrage gestellt, so fühlen sich viele Menschen unwohl und wehren ab, was bis zu Gewalttätigkeiten führen könne.