Neuburg
Begehrte Frauenpower

Technische Finessen des Eurofighters, PH-Werte im Wasser des Parkbads oder Nähen bei Faurecia: Gestern war Girls' Day

28.04.2016 | Stand 02.12.2020, 19:53 Uhr

Foto: DK

Neuburg (vb/lfs/DK) Girls' Day: Das bedeutet volle Frauenpower in ansonsten eher von Männern dominierten Berufen. Kennenlernen, schnuppern, entdecken - in Neuburg heuer unter anderem beim Autositzhersteller Faurecia, bei den Stadtwerken und beim Taktischen Luftwaffengeschwader 74.

Die Sache ist eigentlich glasklar: Deutschland kann es sich nicht leisten, dass die Hälfte seiner Bürger in den volkswirtschaftlich wichtigen Industriebetrieben keine Rolle spielt - nur, weil es klischeebeladene "Männerjobs" sind. Deutschland braucht qualifizierte Köpfe in jedem Bereich - und zwar sowohl männliche, als auch weibliche. Und so laden seit Jahren die Firmen ein zum Girls' Day, lassen die Schülerinnen in ihre Produktionshallen oder Werkstätten blicken und werben für ihr Metier, damit die Scheu schwindet und die Neugier wächst.

FAURECIA

Beim französischen Autositzhersteller Faurecia in der Grünauer Straße ist man schon von Anfang an mit von der Partei. Heuer waren neun Mädels aus den 8. Klassen der Realschulen aus Neuburg, Schrobenhausen und Eichstätt und sogar eine Gymnasiastin zu Besuch in der Lehrwerkstatt. Eva Zeller und ihre Freundin Hannah Seipold kommen aus Königsmoos - für sie war der Tag Pflichtprogramm. "Immer noch besser als Schule", kommentierten die beiden grinsend. Und auch bei einem anderen Thema waren sich die Mädchen einig: "Wir wollen später nicht in einem Büro arbeiten, sondern lieber handwerklich." Nach dem Realschulabschluss in zwei Jahren möchten sie auf jeden Fall gleich anfangen zu arbeiten - und werden teilweise jetzt schon gefragt, was es denn mal werden soll. "Langsam muss man sich schon Gedanken machen, vor allem, weil man sich ja schon in der 9. Klasse bewerben muss", erzählt die 14-jährige Hannah Seipold.

Bei Faurecia brachte ihnen Ausbildungsleiter Uwe Gottschall den Beruf des Fahrzeuginnenausstatters näher - die Mädchen durften selbst ran an die industriellen Nähmaschinen und zu Übungszwecken ein Mäppchen nähen. Eine Werkpräsentation und stand auch auf dem Programm. Gottschall hat schon viele Bewerber und Azubis gesehen. "Es wird immer schwieriger, die Lehrstellen zu besetzen", erzählt er. "Und bei uns ist das ein bisschen eine Nischenausbildung, das ist nicht so bekannt wie beispielsweise Mechatroniker." Mithilfe des Girls' Days versucht auch Faurecia an qualifiziertes Personal von morgen heranzukommen. Im Idealfall profitieren beide Seiten: Der Betrieb macht Werbung für sich selbst, die Schülerinnen gewinnen einen Einblick und stoßen womöglich über diese Schiene auf ihren späteren Beruf. Eine wichtige Info hatte Uwe Gottschall auch zu verkünden: Obwohl Faurecia einen großen Auftrag von Audi an einen Konkurrenten verloren hat und deshalb Mitarbeiter den Betrieb verlassen müssen, werden auch künftig jährlich zwei junge Lehrlinge ausgebildet. "Und die wollen wir dann auch übernehmen."

STADTWERKE

Zum Girls' Day hatten heuer auch die Stadtwerke Neuburg ihre Tore geöffnet - fünf Mädchen nahmen dieses Angebot wahr. Auch Annalena Jung mischte sich unter die Mädels, um ihnen bei Fragen Rede und Antwort zu stehen. Sie ist im ersten Lehrjahr bei den Stadtwerken und weiß deshalb ganz genau, wo der Schwerpunkt der gewünschten Information liegt. Begrüßt wurden die Damen vom Chef Richard Kuttenreich persönlich. Mit Christine Raimar und Silvia Steinbühler ging es dann ins Parkbad. Hier wurden im Labor vorher gezogene Wasserproben ausgewertet. Besonders wichtig in diesem Fall: der PH- und Chlorwert des Wassers. Die riesigen Pumpen, die dafür verantwortlich sind, dass das Badewasser durch die Filteranlagen zur Reinigung kommt, hinterließen einen gewaltigen Eindruck.

Beim Blick unter das Becken machten die Mädchen dann große Augen. Die ganzen Rohre und die Technik, die dafür nötig sind, um oben gemütlich planschen zu können, waren verwirrend und beeindruckend zugleich. Als nächstes stand Kleiderschwimmen auf dem Programm. Jürgen Herrmann, zuständig für die Ausbildung der Fachangestellten für Bäderbetriebe, gab gute Ratschläge, um sich auch bekleidet im Wasser richtig zu verhalten. Sehr schnell lernten die Fünf, dass schwimmen nicht gleich schwimmen ist. Auch beim Strecken- und Tieftauchen gelten ganz andere Regeln, als wenn man nur mit Badesachen bekleidet ist.

LUFTWAFFE

"Mein Vater ist Berufssoldat, und auch ich könnte mir einen Job bei der Luftwaffe sehr gut vorstellen", sagte Julia Müller aus Ingolstadt. Ob nun als Pilotin, in der Technik oder am Schreibtisch, da ist sich die 17-Jährige noch nicht schlüssig. Zur Orientierung in die vielfältigen Berufsfelder schnupperte sie gestern in das Taktische Luftwaffengeschwader 74. Dabei war Julia nicht allein. Der Fliegende Verband öffnete seine Tore für 48 Schülerinnen aus der Region.

Mit dem Mädchen-Zukunftstag, der im Fliegenden Verband zum 13. Mal in Folge angeboten wurde, erschließt sich die Luftwaffe wichtige Personalressourcen für die Zukunft. Laut Kommodore Oberst Holger Neumann liegt der Frauenanteil bei den über 800 Angehörigen im Taktischen Luftwaffengeschwader 74 derzeit bei circa elf Prozent. Insgesamt werden bei der Bundeswehr 15 Prozent angestrebt. "Wir versuchen in wenigen Stunden Vorbehalte gegenüber technischen oder techniknahen Arbeitsbereichen abzubauen und erläutern die Berufsbilder", konstatierte Oberstabsfeldwebel Martin Müller. Wie interessant das Spektrum hier ist, erfuhren die Mädchen beim Flugsicherungspersonal auf dem Tower und im Radar. Bei der Flugplatzfeuerwehr durften die Jugendlichen in einem Löschwagen ein Wasserstrahlrohr bedienen, und der Eurofighter stand in der Flugplatzwerft im Fokus. Neben all den technischen Einrichtungen waren es Erklärungen zu den Berufsfeldern, vom Flugzeugwart bis Elektroniker und Techniker. "Die Möglichkeiten bei der Luftwaffe sind sehr vielfältig", so Müller. Ob nun als Offizier, Feldwebel, Unteroffizier oder Mannschaftsdienstgrad hängt von der Schulbildung, den Interessen und den Fähigkeiten der Mädchen ab. Intensiviert wurde das Erlebte beim Abschlussgespräch mit Soldatinnen und Soldaten, dem Karriereberater sowie mit Piloten. Die Fragen zielten auf die Ausbildung, einem möglichen Studium und zu Standorten im In- und Ausland. Mit vielen neuen Eindrücken machten sich die Mädchen auf die Heimreise.