Neuburg
Bayern als Heimat - mit und ohne Kini

08.09.2016 | Stand 02.12.2020, 19:20 Uhr

Immer zu Scherzen aufgelegt, immer in Lederhose und im Herzen ein Monarchist, der so gerne wieder einen bayerischen König hätte: Peter Winterholler. Als Import aus Deutschlands Norden: Ute Patel-Mißfeldt. Sie ist mit einem indischen Arzt verheiratet, versteht sich als Weltbürgerin und hat für diesen Beitrag über Tradition mit der Tradition gebrochen, einen selbstkreierten Hut zu tragen. - Fotos: Hammerl

Neuburg (DK) Er ist bayerischer Traditionalist und König-Ludwig-Fan; sie stammt aus Norddeutschland, lebt seit vielen Jahren gerne in Neuburg. Peter Winterholler (77) und Ute Patel-Mißfeldt (75) haben dem DONAUKURIER erzählt, was Tradition für sie persönlich bedeutet und wo sie Bayern im Jahr 2025 sehen.

 

Was verstehen Sie unter Tradition?

Winterholler: Unter Tradition verstehe ich Heimat. Da gehört alles dazu - die Leute, die Umgebung, die Kultur.

Patel-Mißfeldt: Tradition heißt für mich, alte Werte hochzuhalten - aber nicht um jeden Preis. Sondern nur dann, wenn sie der Gesellschaft dienlich sind. Denn wenn wir immer an allen Traditionen festhalten würden, gäbe es keinen Fortschritt. Dann würden wir noch in der Steinzeit leben.

 

Welche Rolle spielt Tradition in Ihrem Leben?

Winterholler: Ich bin ein typischer Bayer und König-Ludwig-Fan. Bayern ist mein Ein und Alles. Ich fühle mich meiner Heimat verbunden und bin stolz, dass ich Neuburger bin und noch stolzer, dass ich Bayer bin. Und das tue ich auch kundt. Manchmal habe ich Probleme mit den Preußen; das sage ich denen auch. Trotzdem war in meiner Jugend ein Berliner mein bester Freund, wir haben heute noch Kontakt.

Patel-Mißfeldt: Eigentlich spielt Tradition keine Rolle in unserem Leben, weil wir aus verschiedenen Kulturen kommen. Mein Mann hält sich nicht an seine Tradition, seine Familie schon. Ich halte auch keine Tradition hoch, meine Kinder ebenso nicht. Das heißt aber nicht, dass ich beispielsweise eine schöne Hackbrettmusik nicht zu schätzen wüsste, ich mag auch den Maibaumtanz, aber im Bierzelt volllaufen lassen muss ich mich nicht.

 

Sehen Sie die Tradition in Bayern in Gefahr?

Winterholler: Ja sehr. Zum einen, weil unsere Sprache komplett kaputt gemacht wird. Manchmal kommt es mir so vor, als ob das gesteuert wird. Hören Sie doch mal Radio Bayern - jedes dritte Wort auf Englisch und jedes zweite Lied ebenso. Meinem Enkel habe ich inzwischen beigebracht, dass er mir nicht "Tschüss" sagen darf. Das dulde ich nicht. Mit der Kleidung ist es etwas besser geworden. Junge Leute tragen wieder Dirndl und Lederhosen. Wobei das mehr Landhausmode als Tracht ist, aber es freut mich trotzdem.

Patel-Mißfeldt: Nein, nicht unbedingt. Aber ich sehe schon, dass es Probleme gibt, wenn so viele Menschen mit verschiedenen Traditionen zu uns kommen, und wir nicht bereit sind, andere Traditionen anzuerkennen. Ich persönlich bin nicht bereit, die Burka zu akzeptieren. Ein Verbot brauchen wir nicht - wir haben bereits ein Vermummungsverbot. Da wir alle Erziehungsvorurteile haben, wird es auch den Fremden schwerfallen, unsere Tradition anzuerkennen, allem voran die Eigenständigkeit der Frauen. Und dass wir hier nicht zwischen Mann und Frau unterscheiden, sondern alle schlicht Menschen sind.

 

Vor- und Nachteile von Bayern?

Winterholler: Bayern ist das schönste Land Deutschlands, dann kommt lange nichts. Wenn es nach mir ginge, hätten wir heute noch das Königreich Bayern. Nachteile sehe ich keine, Bayern hat nur Vorteile, der einzige Nachteil ist momentan, dass unsere Grenzen offen sind.

Patel-Mißfeldt: Vorteile? Das Wetter! Norddeutschland ist unwirtlich im Vergleich dazu, und Indien zu heiß. Nachteile sehen wir keine, schließlich ist jeder seines Glückes Schmied. Wir sind Weltbürger - Sie können uns überall hinsetzen, und wir würden uns überall glücklich fühlen.

 

Soll sich etwas ändern und falls ja, was konkret?

Winterholler: Wir sollten wieder mehr bayerisch werden, mehr Selbstbewusstsein entfalten und zeigen, dass wir Bayern sind. Das geht über die Sprache, aber auch über die Kleidung. Ich war schon auf der ganzen Welt in meiner Lederhose unterwegs, und überall wollten sie sie mir abkaufen, die Amerikaner und ganz schlimm waren auch die Chinesen. Aber ich hab gesagt: "Ja, soll ich denn nackert heimfahren". Meine Frau hat mir schon angedroht, "mit dir fahre ich nicht mehr fort". Ich wurde überall am häufigsten fotografiert.

Patel-Mißfeldt: Ändern? Gute Frage. Was mich jedenfalls maßlos stört, aber nicht nur hier in Bayern, das ist das Wegrationalisieren unserer wunderschönen Landschaft. Darauf wird überall in ganz Deutschland zu wenig geachtet, auf Tiere, Pflanzen, Landschaft und Umweltschutz. Jeden Tag verschwinden Flächen in der Größe von zwölf Fußballfeldern, daher kann ich das Wort Wachstum schon nicht mehr hören. Wo wollen wir denn noch hin?

Wo steht Bayern Ihrer Meinung nach im Jahr 2025?

a) wirtschaftlich

Winterholler: Ich hoffe, dass es noch ein bisschen aufwärtsgeht oder zumindest so bleibt, wie es ist. Bayern soll Vorzeigeland bleiben, damit wir noch stolzer darauf sein können.

Patel-Mißfeldt: Wir sind wirtschaftlich sehr gut aufgestellt, und ich denke, das wird so bleiben. Besonders in unserer Region durch Audi. Aber ich finde es andererseits schrecklich, dass Audi wie ein Krebsgeschwür Ingolstadt durchzieht. Da bleibt wenig Fläche für Wohnqualität.

b) politisch

Winterholler: Wenn Merkel so weiter macht, wird Bayern nicht mehr CSU-regiert bleiben, denn dann stehen Protestler auf. Ich wünsche mir weniger Dampfplauderer, die sich erst hervortun, und dann umfallen, wenn es drauf ankommt.

Patel-Mißfeldt: Sie meinen, ob die CSU noch im Jahr 2025 in Bayern regiert? Ich fürchte schon. Das ist Tradition, "mir san mir" - egal was kommt. Andererseits muss man in Vielem Horst Seehofer Recht geben, die Flüchtlingspolitik beutelt uns schon sehr. Da braucht man jemanden, der mal Tacheles redet.

c) kulturell

Winterholler: Grundsätzlich bin ich momentan zufrieden, es wäre aber schön, wenn wir noch mehr Kultur entwickeln könnten. Wir müssen stark sein und unseren Mann stehen, sonst tragen unsere Frauen demnächst Kopftücher. Ich verstehe unsere Oberen nicht. Es kommen so viele Menschen, die sich nicht an unsere Regeln halten, während wir uns in ihren Ländern an die dortigen Regeln halten müssen. Aber keiner hier in Deutschland steht auf und sagt etwas dagegen.

Patel-Mißfeldt: 2025? Bin ich dann überhaupt noch da? Ich sehe auch kulturell Probleme auf uns zukommen, weil wir durch zu viele Verordnungen und Bestimmungen auch kulturell zerstört werden. Man kann gar nicht alles einhalten! Zum einen wird es zu teuer, zum anderen steht man mit einem Fuß im Knast. Daher fürchte ich, dass es manche Veranstaltungen nicht mehr geben wird, man hat als Veranstalter einfach keine Lust mehr.

d) demografisch

Winterholler: Da kommen auf jeden Fall Probleme auf uns zu, das ist ein heißes Eisen. Überall fehlt der Nachwuchs, was ich bei den Reservisten und den Donautalern erlebe. Wir haben nicht mal mehr eine Schuhplattlergruppe, und auch keine Goaßlschnalzer mehr, nur noch der Volkstanz funktioniert. Die Jugend fehlt einfach. Familien müssten mehr gefördert werden, aber bei uns wird nur geredet und nichts getan - Dampfplauderer eben.

Patel-Mißfeldt: Nun, ich denke mit den vielen Flüchtlingen wird eines Tages ein Mischvolk entstehen. Was für mich auch okay ist. Ich denke, es wird uns auch nichts anderes übrigbleiben, deswegen sollten wir uns rechtzeitig daran gewöhnen. Manchmal hört man, die Deutschen sterben aus - na und? Die Bevölkerung hat sich schon immer gemischt. Wenn uns die Religionen nicht spalten, dann hoffe ich, können wir eines Tages friedlich miteinander leben.

 

Leben Sie gerne in Bayern?

Winterholler: Die Frage ist ja schon beantwortet, ich würde nirgendwo anders leben wollen.

Patel-Mißfeldt: Ja, sehr gerne, weil wir hier lauter nette Menschen haben, die Landschaft sehr schön ist, das Wetter wundervoll und wir schnell in anderen Ländern sind, in der Schweiz, in Italien oder in Österreich. Mein Mann und ich fühlen und als Weltbürger und daher überall wohl.