Neuburg
Bauunternehmer vor Gericht

Zwei Geschäftsführer sollen 19 Mitarbeitern über Jahre zu wenig Mindestlohn gezahlt haben

28.09.2016 | Stand 02.12.2020, 19:15 Uhr

Neuburg (szs) Zwei Geschäftsführer eines Bauunternehmens aus dem Landkreis sollen über Jahre hinweg insgesamt 19 Mitarbeiter in zu niedrige Lohnstufen eingeteilt haben. In 515 Fällen sollen sie dadurch insgesamt 221 000 Euro zu wenig Mindestlohn und Sozialleistungen bezahlt haben - strafbar als Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt.

Die Kernfrage in dem Verfahren ist aber, ob die Beschäftigten von ihrer Arbeitsleistung her wirklich Anspruch auf mehr Lohn gehabt hätten. Um diese Frage zu klären, will das Gericht weitere Zeugen hören.

Was genau grenzt einen ungelernten Hilfsarbeiter von einer qualifizierten Fachkraft ab? Wo hören Handlangerdienste auf und wo beginnt das planvolle, handwerkliche Agieren? Antworten auf diese Fragen bestimmen, in welche Lohngruppe ein Arbeiter auf der Baustelle eingruppiert wird: Je nachdem muss der Arbeitgeber Mindestlohn 1 oder Mindestlohn 2 zahlen. "Wir haben es hier mit einer sehr schwierigen Systematik zu tun", leitete Richterin Celina Nappenbach das Verfahren ein.

Die beiden Geschäftsführer bestehen darauf, alles korrekt gehandhabt zu haben. "Notfalls ziehe ich vor das Bundesverfassungsgericht", sagte einer der Unternehmer in einer Prozesspause - eine Stunde lang zogen sich Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Schöffengericht zu einer Beratung hinter verschlossenen Türen zurück. Einigen konnten sie sich nicht. Ein Angebot von Staatsanwältin Sandra von Dahl, im Falle von umfassenden Geständnissen Freiheitsstrafen von unter einem Jahr in Betracht zu ziehen, lehnten die Verteidiger Werner Häge und Lambert Kunz nach einer Beratung mit ihren Mandanten ab.

Die Beweisführung ist kompliziert. Staatsanwältin von Dahl listete detailliert auf, welchem Mitarbeiter zwischen 2006 und 2012 wie viel Mindestlohn gezahlt wurde - und wie viel ihm hätte zustehen sollen. Über die Jahre stiegen die Mindestlöhne, tendenziell liegen die Stufen etwa zwei bis drei Euro auseinander. Momentan bekommt ein Hilfsarbeiter 11,25 Euro, ein Fachwerker 14,45 Euro. Bei einer Routinekontrolle hatte der für Schwarzarbeit zuständige Zoll die Löhne beanstandet. Ein hinzugezogener Sachverständiger half bei der Befragung der Mitarbeiter und kam zu dem Ergebnis, dass die meisten zu niedrig eingruppiert waren. Neben der Qualifikation sei dabei ausschlaggebend, was die Arbeiter auf der Baustelle hauptsächlich getan haben. "Haben sie nur Platten getragen oder Anpassungsarbeiten getätigt", erklärte der Sachverständige und räumte ein, dass die Grenzen fließend seien und die Befragten Jahre später schwer über Baustellen und konkrete Tätigkeiten Auskunft geben können. Die Verteidiger machten deutlich, dass der geltende Tarifvertrag im Trockenbau Spielräume lässt. Als Beispiel nannten sie einen Hilfsarbeiter, der eine lange Wand aus Gipskartonplatten aufstellt, was Lohnstufe 1 entspreche. Selbst wenn er dann eine Tür anbringe, was mehr erfordere, als reines Zutragen, hebe ihn das nicht gleich in eine andere Lohnstufe. "Was zählt ist die Haupttätigkeit", so ihre Argumentation - die nun mit Hilfe von weiteren Zeugen überprüft wird.