Neuburg
Wie es gelingen kann

Informationsveranstaltung im Landratsamt zielt auf Beschäftigung von Flüchtlingen ab

18.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:46 Uhr
Gute Kooperation: Norbert Meinert, Niederlassungsleiter der Firma Schulz, Emmy Böhm, Leiterin der Ausländerbehörde (Mitte), und ihre Mitarbeiterin Susanne Felbermeir. Meinert und seine Kollegen haben sich sehr um die Integration eines Flüchtlings aus Sierra Leone bemüht, die Ausländerbehörde hat den Einsatz unterstützt. −Foto: Frank

Neuburg (DK) Der große Zustrom an Asylbewerbern ist vorerst versiegt, doch die Menschen, die unter anderem auch im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen angekommen sind und bleiben dürfen, müssen integriert und beschäftigt werden.

„Zeigen, wie es gelingen kann: Beschäftigung von Flüchtlingen“ war deshalb eine Veranstaltung im Landratsamt in Neuburg überschrieben, zu der Vertreter der Wirtschaft eingeladen waren. Andrea Haslauer, Wirtschaftsförderin am Landratsamt, die Industrie- und Handelskammer sowie die Handwerkskammer hatten verschiedene Betriebe angeschrieben. 22 davon haben Vertreter zu dieser Informationsveranstaltung entsandt.

Für Sozialabteilungsleiterin Ramona Schneider stellen Flüchtlinge in einer Boomregion, die unter Fachkräftemangel leidet, eine Chance dar. Inzwischen, so Schneider, sei die Zahl der Ausbildungsplätze deutlich höher als die der Bewerber. Viele Flüchtlinge seien hoch motiviert, sagte die Abteilungsleiterin, andererseits sind die Rahmenbedingungen sehr komplex. Sie versprach: „Wir wollen etwas Licht in den Paragrafendschungel bringen.“

„Ich habe kein Verständnis dafür, dass man so einen Menschen nach Hause schickt.“

Norbert Meinert, Niederlassungsleiter

 

Darum bemühte sich im Anschluss Emmy Böhm, die Leiterin der Ausländerbehörde. Vereinfacht gesagt: Anerkannte Flüchtlinge haben unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt. Asylbewerber im laufenden Verfahren mit einer Aufenthaltsgestattung dürfen unter Umständen auch arbeiten. Das wird aber im Einzelfall geprüft. Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern, derzeit Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Serbien, Ghana und Senegal, erhalten hingegen keine Beschäftigungserlaubnis. Abgelehnte Asylbewerber, auch wenn deren Abschiebung ausgesetzt ist, dürfen zwar grundsätzlich nicht arbeiten, wobei es aber auch da Ausnahmen geben kann. Nähere Auskünfte erteilt die Ausländerbehörde des Landratsamtes, Telefon (08431) 570. „Rufen Sie uns einfach an und fragen Sie“, ermunterte Emmy Böhm die Teilnehmer der Infoveranstaltung. Auch der Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit ist behilflich, damit legale Arbeitsverhältnisse entstehen können.

Dass das ein steiniger Weg sein kann, schilderte Norbert Meinert, Niederlassungsleiter der Straßenbaufirma Schulz, dem für sein besonderes Engagement von Ramona Schneider gedankt wurde. Meinert, seit 30 Jahren im Straßen- und Tiefbau tätig, davon vier Jahre in Nigeria, hat 2015 einen jungen Mann aus Sierra Leone unter die Fittiche genommen. Es begann mit einem unbezahlten Praktikum an zwei Tagen wöchentlich. „Er hat nie gefehlt, hat kein Geld bekommen, war aber immer da“, berichtete Meinert. Nach Ende des Praktikums wurde dem Mann eine Ausbildung zum Straßenbauer angetragen. Die begann im September 2015 und sollte heuer am 31. August mit einer Prüfung enden. Indes mahlten die Mühlen der Bürokratie weiter.

Im Dezember 2015 wurde der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Der Azubi hätte innerhalb einer Woche ausreisen müssen. „Wir wollten ihn aber behalten“, erzählte der Niederlassungsleiter. Gemeinsam mit Emmy Böhm wurde nach einer Lösung gesucht, eine Geburtsurkunde beschafft. Im April folgte der Reisepass. Meinert schickte den Schwarzafrikaner gemeinsam mit einem Mitarbeiter nach Berlin, das Dokument in der Botschaft abzuholen. Der Mann hat inzwischen die Asylbewerberunterkunft verlassen und wurde von seinem Arbeitgeber untergebracht. „Der geht jeden Tag um sechs Uhr in die Arbeit und kommt um sechs wieder zurück“, verwies Meinert auf die Zuverlässigkeit des Afrikaners, der von pensionierten Lehrern in Deutsch unterrichtet wird, um 2018 seine Prüfung schreiben zu können. Wenn er dann doch zurück nach Hause muss, dann kann er dort in der deutschen Botschaft mit einem Arbeitsvertrag ein Arbeitsvisum für Deutschland beantragen. Meinert: „Ich habe kein Verständnis dafür, dass man so einen Menschen nach Hause schickt.“ Der arbeite, zahle Steuern und Sozialabgaben und gebe dem Staat das zurück, was der für ihn ausgegeben habe. Wie es weitergeht, man wird sehen. Nachdem allein die Beschäftigung auch nur eines Asylbewerbers mit großem Einsatz verbunden war, wird das Unternehmen Schulz, das über diverse Niederlassungen verfügt, zunächst von dieser Variante Abstand nehmen, auch wenn die Nachwuchsgewinnung bei den Straßenbauern inzwischen sehr schwierig geworden ist. „Der Arbeitskräftemangel ist eklatant“, erklärte Meinert. Für das Landratsamt und die Ausländerbehörde hat er indes nur Lob: „Die Frau Böhm ist wirklich klasse.“

Den Fachkräftemangel bekommt auch Friseurmeister Mario Sedita aus Aalen zu spüren. Acht Filialen hat er in Nordschwaben, eine in Neuburg. Die in Rain am Lech musste er wegen Personalmangels aufgeben. „Ich würde jederzeit Asylbewerber anstellen“, versichert der 49-Jährige mit italienischen Wurzeln. „Etwa zehn Prozent meiner Mitarbeiter haben Migrationshintergrund.“