Neuburg
Feuer im Asylheim gelegt und Mithäftling den Kiefer gebrochen

Jugendschöffengericht verurteilt 20-jährigen Flüchtling zu zwei Jahren und zwei Monaten Jugendgefängnis

18.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:56 Uhr

−Foto: Janda, Stefan, Ingolstadt

Neuburg/Geisenfeld (szs) Zwei Jahre und zwei Monate muss ein 20-jähriger Flüchtling ins Jugendgefängnis, weil er Feuer in der Geisenfelder Asylbewerberunterkunft gelegt und später in der Untersuchungshaft einem Mithäftling mit einem Faustschlag den Kiefer gebrochen hat. Das Neuburger Jugendschöffengericht unter Vorsitz von Richter Gerhard Ebner verurteilte den Afghanen gestern wegen schwerer Brandstiftung und gefährlicher Körperverletzung.

"Der Schlag tut mir leid. Mit der Brandstiftung habe ich nichts zu tun, das schwöre ich bei Gott", beteuerte der Angeklagte in seinem letzten Wort. Doch die Beweislage sprach deutlich gegen ihn. Und auch seine Vorgeschichte: "Sie sind erst seit zwei Jahren in Deutschland und schon 30-mal bei der Polizei wegen Straftaten aufgefallen", mahnte Ebner und rückte damit eine Bewährungsstrafe in weite Ferne.

"Sie sind erst seit zwei Jahren in Deutschland und schon 30-mal bei der Polizei wegen Straftaten aufgefallen."

Richter Gerhard Ebner

 

Der Richter und die beiden Jugendschöffen kamen zu der festen Überzeugung, dass es der 20-Jährige gewesen sein muss, der in der Nacht auf den 9. Juli an zwei Stellen in der Geisenfelder Flüchtlingsunterkunft im Feilenmoos Feuer gelegt hatte. Erst brannte in einem Waschraum ein Korb mit Wäsche - der Brand war schnell gelöscht. 20 Minuten später dann ein Sofa in einem Gemeinschaftsraum. Zwei Zeugen aus Nigeria belasteten den Afghanen schwer. Einer schaute laut eigener Aussage hilflos zu, wie der aggressive Mitbewohner in seinem Suff und seiner Wut über einen defekten Fernseher das Stoffsofa mit einem Feuerzeug ansteckte.

Das Zimmer brannte vollständig aus. Zwar ging ein Gutachter des Landeskriminalamtes davon aus, dass sich die Flammen wegen des guten Brandschutzes nicht über das Zimmer hinaus ausgebreitet hätten, doch zum Zeitpunkt der Tat schliefen rund 40 Asylbewerber in dem Gebäude. Zwei Wohnungen lagen direkt nebenan. "Wenn die Bewohner aus dem Zimmer in den Flur gerannt wären, wären sie durch den Rauch stark gefährdet gewesen", so der LKA-Ermittler. Verletzt wurde niemand.

Zu Schaden war auch niemand gekommen, als der Angeklagte zwei Monate vorher mit einem Messer in Richtung eines Mitbewohners gestochen haben soll - dieser Anklagepunkt wurde gestern wegen Geringfügigkeit eingestellt. Hinzu kam im Laufe des Gerichtsverfahrens jedoch der Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung: Hier hatte das Opfer massive Verletzungen davongetragen. In der Untersuchungshaft in Neuburg hatte der Angeklagte den Mithäftling in ein dunkles Zimmer gelockt und ihm überraschend ins Gesicht geschlagen. Noch heute leidet der junge Mann an den Folgen des Kieferbruchs. Eine Beleidigung soll vorausgegangen sein.

Woher rührt die Aggression? Ein Gerichtsarzt diagnostizierte ein Alkoholproblem und eine Persönlichkeitsstörung - jedoch keine verminderte Steuerungsfähigkeit. Auch ein Trauma sah er nicht. Ein solches hatte der Pfaffenhofener Jugendgerichtshelfer Günther Hänle als wahrscheinlich gesehen. Er schilderte die Vita des Angeklagten: Der Afghane ist laut eigener Aussage als Achtjähriger mit Mutter und Brüdern vor dem eigenen Vater - einem Talibankämpfer - zunächst in den Iran, später in die Türkei und 2015 schließlich allein nach Deutschland geflüchtet. Eine Schule habe er nie besucht, keine Ausbildung und auch keine Berufserfahrung. Dennoch sprach ihm der Pfaffenhofener Jugendgerichtshelfer eine positive Sozialprognose aus: "Er hat versucht, Arbeit und eine Wohnung zu finden und eine Therapie für seine Alkoholsucht begonnen", sagte Hänle. Sein Asylantrag sei angenommen, ein dreijähriges Bleiberecht ausgesprochen worden.

Im Hinblick auf Vorstrafen und Vita wischte Oberstaatsanwalt Kaczynski die günstige Sozialprognose vom Tisch: Er forderte drei Jahre Jugendhaft. Die Attacke im Gefängnis sei "hinterlistig" gewesen. Die Brände im Asylheim seien dem Angeklagten trotz kleinerer Ungenauigkeiten in den Zeugenaussagen eindeutig nachzuweisen. Der Angeklagte hatte vorher Brandfantasien geäußert, dass es gut wäre, wenn das Asylheim brennen und die Bewohner ausziehen würden - und damit auch ein Motiv.

Verteidiger Jörg Gragert sah keine Hinterlist in dem einen Schlag - und damit auch nur eine einfache Körperverletzung. Hinsichtlich der Brände sei der Angeklagte freizusprechen, weil es Zweifel an der Schuld gebe. In den Aussagen der Zeugen habe es zu viele Widersprüche gegeben. Gragert forderte eine Bewährungsstrafe.

Das Schöffengericht hatte jedoch keine Zweifel: "Wenn der Angeklagte auf freien Fuß kommt, sitzt er in zwei Monaten wieder hier", war sich Richter Ebner sicher. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.