Neuburg
Der Kreisausschuss sitzt jetzt am Ruder

Nationalpark: Umweltausschuss fühlt sich übergangen - Kampfabstimmung im Kreistag

24.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:10 Uhr

Klaus Peter Frank

Neuburg (DK) Das Thema Nationalpark wird künftig federführend vom Kreisausschuss betreut. Zu dieser Entscheidung fand der Kreistag am Donnerstag nach längerer Debatte. Mandatsträger des Umweltausschusses hatten vergeblich ihr Veto eingelegt. Sie fühlten sich übergangen.

Aus Sicht der Verwaltung ist der Themenkomplex Nationalpark (np3) von weitreichender und dauerhafter Bedeutung. Nicht zuletzt deshalb haben Landrat, Fraktionschefs und Bürgermeister das Gespräch mit Umweltministerin Ulrike Scharf gesucht, hat es Landrätetreffen mit klaren Forderungen an die Staatsregierung gegeben und Informationsfahrten zu Nationalparken im Bayerischen Wald, in Berchtesgaden und Wien. Diese Besuche haben zutage gefördert, dass ein Nationalpark auch weitreichende strukturpolitische Änderungen mit sich bringt, wie es im Diskussionspapier der Verwaltung heißt. Schließlich gehe es nicht allein um Naturschutz, sondern auch um Wirtschaftsstandorte, Tourismus und Öffentlichen Personennahverkehr. Das Thema allein dem gesamten Hohen Haus Kreistag vorzubehalten, erschien der Verwaltung unpraktikabel, nachdem dieses Gremium seltener zusammenkommt und im Kreisausschuss eine "stetigere und zügigere Abarbeitung des Themas", wie Karen Johannsen von der Kommunalaufsicht erklärte, gewährleistet sei. Dem Natur- und Umweltausschuss mochte man die sensible Thematik nicht überlassen.

Für Beobachter der Kreispolitik ist dies eine rein technische, keine politische Begründung. Der Natur- und Umweltausschuss hat sich in der Vergangenheit - ob beim Thema Biber oder der Wiederansiedlung des Seeadlers - zumindest in Teilen als ein Verhinderungsausschuss präsentiert. Obendrein ist dort die Landwirtschaftsseite stark vertreten, die einem Nationalpark von Anfang an ablehnend gegenüberstand. Im Kreisausschuss sieht die Gemengelage anders aus. Dort sind nicht nur die Fraktionschefs zu Hause, ein Großteil dieses Dutzends gehört zu den grundsätzlichen Befürwortern des Parks - und macht auch keinen Hehl daraus.

"Das wäre fatal, wenn der Umweltausschuss Beschlüsse fasst, die wir nicht mehr korrigieren können."

Anton Krammer (SPD)

 

Alfred Hornung (CSU) zeigte sich überrascht von diesem Pferdewechsel: "Weshalb der Nationalpark kein zentrales Thema im Umweltausschuss sein kann, das verstehe ich nicht, ich fühle mich übergangen." Landrat Roland Weigert (FW) versuchte es mit Beschwichtigung. Die Verlagerung der Zuständigkeit in den Kreisausschuss sei keine Zurücksetzung der Mitglieder des Umweltausschusses, aber bei einem Nationalpark gehe es um Maßnahmen von grundsätzlicher Bedeutung.

Die Fraktionssprecher von SPD und Freien Wählern blieben in ihren Stellungnahmen vage. Anton Krammer (SPD) dachte an "eventuell gemeinsame Sitzungen", Thomas Hümbs (FW) fand, der Park sei zwar Sache des Kreisausschusses - in dem auch er sitzt - es könne aber auch jeder andere Ausschuss sein. Klaus Angermeier (CSU) meinte, Umwelt- und Naturschutz gehörten in den Umweltausschuss, "und vor mehr Sitzungen haben wir keine Angst". Ludwig Bayer (FW), in Personalunion Kreisobmann des Bauernverbandes, sah die Zuständigkeit ebenfalls beim Umweltausschuss, dem er selbst angehört. Günter Huniar (FW), er gehört weder Kreis- noch Umweltausschuss an, sah die Zuständigkeit ganz klar beim Kreistag. Mit einer Übertragung der Kompetenzen auf den Kreisausschuss entmachte sich das Gesamtgremium, gab er zu bedenken.

Anton Krammer machte zu dem auf eine besondere Konstruktion aufmerksam: Der Umweltausschuss ist ein beschließendes und kein beratendes Gremium. "Das wäre fatal, wenn der Umweltausschuss Beschlüsse fasst, die wir nicht mehr korrigieren können", sagte Krammer. Maria Lang (FW) setzte dem Meinungsaustausch mit ihrem Geschäftsordnungsantrag ein Ende. Nachdem dieser Antrag mit 30:23 Stimmen eine Mehrheit fand, wurde nach dem traditionell risikoreichen Abzählen der Stimmen - der Landrat mahnte einmal mehr Disziplin an, sonst könne es noch Stunden dauern - die Zuständigkeit für den Nationalpark mit 29:24 Stimmen dem Kreisausschuss übertragen. In letzter Konsequenz hat natürlich immer der Kreistag die finale Entscheidung.

KOMMENTAR

Mit dem Segen des Kreistages ist ab jetzt der Kreisausschuss für das komplexe Thema Nationalpark zuständig. Die Entscheidung fiel Donnerstag am späten Nachmittag. Faktisch ist damit der Natur- und Umweltausschuss entmachtet. Das ist gut so. In der Vergangenheit hatte das Spezialgremium nicht durch ökologische Sichtweisen geglänzt. Und ein Teil der Mannschaft brillierte bei den Debatten im Haus im Moos nicht gerade mit einem "Sehr gut" in Naturkunde. Legendär sind so manche Wortbeiträge zu Seeadler und Biber, mehr Folklore als Fachkunde. Dabei wäre es angezeigt, sich als Kreisrat mit dem Arbeitsgebiet Natur- und Umweltschutz bei brisanten Themen sachkundig zu machen. Man muss ja nicht gleich ein Buch lesen, aber allein die Biberfachtagungen sind geeignet, den Horizont zu erweitern. Dort haben in der Vergangenheit Biologen, die das Leben der Großnager seit vielen Jahren mit Fachkenntnis und Forschergeist begleitet haben, ihre Ergebnisse anschaulich und leicht verständlich ausgebreitet. Von den Perlen tiefer Erkenntnis ist bei manchem Mandatsträger nicht unbedingt viel angekommen. Entsprechend war die Qualität der Diskussionen im Ausschuss, wenn wie in einer Endlosschleife Meister Bockerer einmal mehr als Bedrohung des Abendlandes zur Sprache kam. Obendrein - und das ist ein fataler Konstruktionsfehler - ist der Fachausschuss nicht beratend, sondern beschließend tätig. Hätte man ihm das weite Feld Nationalpark in die Hände gegeben, hätte das Gesamtgremium Kreistag nur noch den Kopf schütteln aber nicht mehr korrigieren können. Landrat Roland Weigert dürfte die gestrige Ausrichtung zupass kommen, auch wenn er diplomatisch aber wenig glaubwürdig versicherte, ihm sei jeder Ausschuss und jeder Kreisrat gleich recht. Im Kreisausschuss ist der Nationalpark als Thema, das weit in die Zukunft gerichtet ist und von fundamentaler Bedeutung sein kann, besser aufgehoben. Dort dürfte mit mehr Offenheit und Abwägungsbereitschaft debattiert werden, schließlich ist Naturschutz nichts für den Bauch, sondern etwas für Herz und Verstand.