Neuburg
Im Stringtanga zum Bahnhof

Der Münchener Kabarettist Markus Langer gastiert im Kolpinhaus

22.04.2018 | Stand 23.09.2023, 2:59 Uhr
Rainer Hamp

Neuburg (DK) "Derf der des?" könnte man sich fragen, wenn Markus Langer zwei Stunden lang sein ziemlich derbes, deftiges, ja knapp unter der Gürtellinie liegendes Programm "Spassvogel(n)" in stotternder Sprache, mit münchnerischem Dialekt auf die Bühne bringt.

Das Tränen lachende Publikum im Kolpingssaal bestätigte ihm aber den Weiß auf Schwarz prangenden Aufdruck auf seinem T-Schirt: "I derf des". Seine Alltagsgeschichten sind zwar maßlos übertrieben, aber der Witz ist gut, die Pointen kommen an und werden schauspielerisch perfekt unters Volk gebracht. Auch sind die Geschichten geschickt aufgebaut, der Übergang von einem Thema zum nächsten fällt kaum auf.

Markus Langer tritt im Finstern auf die Bühne. Aus den Lautsprechern knarzt es. Er zündet ein Kerzlein an, weil er immer Helligkeit braucht, wie ihm seine Ärztin sagt. Sie attestierte ihm eine seelische Krise. Kein Wunder, hat er doch keine Arbeit und ist mit einer herrischen Frau verheiratet. So hat sie zum Beispiel tausend Arten "was?" zu fragen; nicht weil sie ihn nicht verstanden hätte, sondern um ihm Gelegenheit zu geben, das Gesagte nochmal zu überdenken. Das Leben hat für ihn momentan wenig Sinn. Seine Zeit verbringt er hauptsächlich mit seinen Saufkumpanen, dem Zehetmeier Hans, dem Lechleitner Michel und vor allem dem Bumsinger Sepp von der Tankstelle.

Einmal liegt er im aufblasbaren Gartenpool um seinen Rausch vom Vorabend zu lindern. Er hat schon wieder vier, fünf Halbe intus, als seine Frau ihn anmeckert, er habe doch den Buben vom Bahnhof abholen wollen. Erschrocken springt er aus dem Wasser, zieht fatalerweise nur eine alte Tarzan-Stringbadehose an und fährt los. Das Benzin reicht nicht, er tankt bei seinem Spezl, wo nicht nur der sieht, dass das Gummiband seiner alten Badehose dem Innendruck nicht mehr standhält, sondern auch seine schöne Nachbarin, die sich pikiert abwendet. Dann hält ihn eine Polizeistreife wegen diverser Verkehrsverstöße auf. Auto und Führerschein darf er gleich abgeben. Auf der Wache muss ihn seine schöne Nachbarin mit ihrem Auto abholen; seine Frau ist auch dabei. Sie spricht mit ihm tagelang nicht mehr. Aber er tritt auch in jedes Fettnäpfchen. "I hob nia g'sogt, dass du schlecht kochst, i hob bloß g'sogt, dass unsa Hund der oanzige im Dorf is, der net am Tisch bettelt".

Um ein bißchen Geld zu verdienen hat er mit dem Bumsinger Sepp, obwohl der meistens betrunken ist, eine mobile Massagepraxis aufgemacht, schwarz natürlich. Der Sepp hatte vor 20 Jahren mal einen Massagekurs mitgemacht. Doch schon der Besuch bei der ersten Kundin in der Münchner Sonnenstraße endet in einer Katastrophe. Die 32-jährige ledige Schönheit bringt satte 240 Kilo auf die vom Sepp mitgebrachte Liege, die sofort zusammenbricht. Dabei zwickt sie sich den Finger ein. Der Notarzt muss her.

Die Figur, die Markus Langer da spielt, ist auf dem Tiefpunkt seiner Existenz angelangt. Er denkt über sein Leben nach, liest auch schlaue Bücher. Er sinniert über den Opa, der offenbar das Leben lockerer nahm. Arschlecken war sein Motto. Er hat, wenn er zum Beispiel mit seinem Traktor abbiegen musste, nie geblinkt. "I woaß, wo i hi wui, de andern geht des an Scheißdreck o", war seine Philosophie. Markus Langers Studien führen schließlich zu einem niederschmetternden Ergebnis: Er stellt fest, dass ein Mensch, der, sagen wir, 80 Jahre alt wird, die meiste Zeit mit schlafen, arbeiten, essen verbringt. Selbst auf dem Klo sitzt er zwei Jahre. Das ergibt insgesamt 62 Jahre Sinnloses. Aber schöne Erlebnisse sind rar. So habe man zum Beispiel einen Orgasmus nicht mal eine Woche lang - bei 80 Jahren Lebenszeit!

Unser Leben, meint Langer, wird immer irrwitziger. Zuerst arbeitet man rastlos und riskiert seine Gesundheit um Geld zu verdienen, danach aber gibt man das Geld wieder aus um wieder gesund zu werden, was oft nicht mehr gelingt. Und dann stirbt der Mensch und hat eigentlich nie richtig gelebt.

Schon während der Pause und auch nach der Vorstellung standen Menschentrauben an, um seinen Verkaufsstand, an dem er Bierkrüge und T-shirts verkaufte mit einem Spruch seines Großvater als Aufdruck: "Arschlecken drei fufzig (350)". Was Markus Langer bringt ist saftig derb. Aber - der derf des.

Rainer Hamp