Ehekirchen
Eine Frage des Systems

Wie soll der Straßenausbau bezahlt werden? Das fragt sich der Ehekirchener Rat

23.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:10 Uhr
Trockene Materie, schwere Entscheidung: Bürgermeister Günter Gamisch (rechts) und sein Stellvertreter Thomas Bednarz (links) lauschen dem ehemaligen Vorsitzenden Richter am bayerischen Verwaltungsgericht, Gerhard Wiens. −Foto: Hamp

Ehekirchen (DK) Weil Ehekirchen vorsorglich eine Reihe von Grundstücken gekauft hat, sind die Schulden zuletzt erheblich angewachsen. Deshalb verpflichtete das Landratsamt die Gemeinde jetzt dazu, eine Straßenausbaubeitragssatzung zu erlassen. Sie war am Donnerstag Thema im Gemeinderat.

Die Satzung würde bedeuten, dass die anliegenden Grundstücksbesitzer an einer neu gebauten Straße oder an einer völlig erneuerten Straße zur Finanzierung mit herangezogen werden müssen. Die Änderung des bayerischen Kommunalabgabengesetzes im April 2016 ermöglicht es den Gemeinden, anstelle von Einmalbeiträgen alternativ sogenannte wiederkehrende Beiträge zu erheben. Diese knifflige rechtliche Angelegenheit sowie die Vor- und Nachteile für Gemeinde und die betroffenen Bürger müssen die Räte sachgerecht beurteilen. Deshalb referierte am Donnerstagabend der ehemalige Vorsitzende Richter am bayerischen Verwaltungsgericht, Gerhard Wiens, über die Möglichkeiten.

Bürgermeister Günter Gamisch (FW) erklärte zu Beginn die Notwendigkeit dieser Satzung für die Gemeinde. Gut eineinhalb Stunden erläuterte Wiens den Sachverhalt. Im Saal herumspazierend erklärte er in lockerer Weise die Begriffe "Einmalbeitrag" beziehungsweise "wiederkehrende Beiträge" und ging auf die Fragen des Bürgermeisters und der Gemeinderäte ein.

Zunächst stellte er fest, dass der Unterhalt der Straße, also vor allem Reparaturarbeiten, für Bürger nicht beitragspflichtig seien, Neubauten und Erneuerungen aber schon. Bei der erstmaligen Herstellung einer Straße bezahlen die Anlieger 90 Prozent, die Gemeinde zehn Prozent der Kosten, bei einer Erneuerung erhöht sich der Gemeindeanteil auf mindestens 25 Prozent bis höchstens 80 Prozent, je nachdem wie sehr die Straße der Allgemeinheit dient, so Gerhard Wiens. Wer muss wie viel Beitrag zahlen? Maßgeblich sei die Grundstücksgröße, bei bebauten Grundstücken die Anzahl der Stockwerke und die Art der Nutzung, also Wohn- oder Gewerbenutzung. Der Gemeinderat müsse nun festlegen, ob die Anlieger einen einmaligen Beitrag leisten sollen oder einen auf fünf Jahre berechneten wiederkehrenden Beitrag. Beitragspflichtig seien beim einmaligen Beitrag die Grundstückseigentümer, die von der ausgebauten oder auszubauenden Straße einen Vorteil haben, also die Anlieger. Bei einem wiederkehrenden Beitrag seien aber alle Grundstücke betroffen, die an einer "Einheit von Straßen" liegen. Folge: eine deutlich größere Zahl von Grundstücken gehört in den Kreis der erschlossenen und damit "bevorteilten" Grundstücke - unabhängig davon, ob die "eigene" Straße von der Baumaßnahme betroffen ist oder nicht. Eine Straßeneinheit ist ein zusammenhängend bebautes Gebiet. Die Anlieger bilden sozusagen eine straßenbauliche Solidargemeinschaft. Getrennt werden Gebiete aber zum Beispiel durch Bahnanlagen, Flüsse, Stadtmauern, Parkanlagen oder besonders breite, viel befahrene Straßen. Aber auch wenn ein Wohngebiet in ein Gewerbegebiet übergeht, ändert sich die Einheit.

Freilich, so Gerhard Wiens, lässt das Gesetz auch viele Ausnahmen, Härtefallregelungen, Stundungsmöglichkeiten und so weiter zu. Obwohl er immer wieder seine Vorliebe zum wiederkehrenden Beitrag durchblicken ließ, riet er den Gemeinderäten dazu, sich für ihren Ort genau die Vor- und Nachteile von Einmalbeitrag und wiederkehrenden Beiträgen zu überlegen. Ein Wechsel vom einmaligen zum wiederkehrenden System sei möglich, umgekehrt allerdings nahezu undurchführbar. Räte und Bürger könnten sich auf www.erschließungsbeitragsrecht.de noch genauer informieren. Zuletzt lobte Gerhard Wiens das "hohe Haus", also Bürgermeister und Gemeinderäte und auch die interessiert zuhörenden Bürger für ihr Interesse angesichts der trockenen Materie.