Ein menschenwürdiger Abschied

11.09.2009 | Stand 03.12.2020, 4:40 Uhr

Beistand in den letzten Stunden: Pater Gerhard und eine Helferin kümmern sich um todkranke Menschen. - Foto: oh

Neuburg/Mandeni (DK) Mein Bruder, Pater Gerhard, bekommt einen Anruf. Nach Beendigung des Telefonats fragt er mich: "Möchtest du mitkommen? Ich gehe zu einem Sterbenden." Ich zögere nicht und folge ihm. Ich weiß nicht, was auf mich zukommt, in mir macht sich Beklommenheit breit.

Wir betreten eines der vier Sterbezimmer des Blessed Gérard’s Hospizes. Neben dem Bett eines abgemagerten jungen Mannes sitzt eine freiwillige Helferin und hält seine Hand. Mein Bruder streicht ihm sanft über seinen Kopf und betet für ihn. Ich fühle Frieden in dem Raum, unglaublichen Frieden. Innerlich bin ich ganz ruhig geworden. Dann sind die Gebete beendet. Wir sitzen einfach da und schweigen.

Die Uhr tickt

Der Sterbende bewegt sich kaum, manchmal ein Augenreflex, teilweise setzt der Atem aus. Ich höre das Ticken der Uhr, die an der Wand hängt. Vieles geht mir durch den Kopf. Was alles hat dieser Mensch hinter sich, wie hat er gelebt? Die Vergänglichkeit, aus dem Leben gerissen werden, der Tod meiner Eltern. Ich blicke auf seine Hände, die ineinander ruhen. Über dem Bett hängt ein Schild mit dem Namen des Patienten. Sein Vorname ist Christopher. Therapie: "Tender Loving Care" (zärtlich liebende Sorge).

Ich weiß nicht, wie lange wir schon in dem Zimmer sind. Mein Bruder nickt mir zu und fordert mich zum Gehen auf. Die Helferin bleibt. Sie lächelt uns an und wendet ihren Blick wieder dem Sterbenden zu. "Es dauert noch", flüstert mir Gerhard draußen zu. Auf dem Weg zu seinem Büro erklärt er mir, wie ein Mensch aus dem Leben scheidet. "Weißt du", sagt er "wir sind hier ein Hospiz. Die Menschen sterben hier einen würdigen Tod und sind nicht allein. Oft liegen Todkranke unversorgt in ihren Hütten in den eigenen Fäkalien und sterben einen grausamen Tod. Wenn die Patienten hierher kommen, werden sie erst einmal gewaschen, wenn möglich gebadet. Sie liegen vielleicht das erste Mal in ihrem Leben in einem sauberen Bett. Sie bekommen Nahrung, medizinische Versorgung und liebende Fürsorge. Ich sage immer: Es ist für die Kranken ein Kulturschock der Liebe." Und jetzt wo ich das hier alles hautnah miterlebe, spüre ich es und verstehe, wovon er spricht.

Alle Kranken- und Sterbezimmer im Blessed Gérard’s Hospiz tragen die Namen eines Heiligen oder Seligen des Malteserordens, der vom Seligen Gerhard im Jahre 1099 in Jerusalem gegründet wurde. Das Wirken wird im Gemälde am Ende des Ganges des Hospizes dargestellt. Mein Bruder hat sich den Namen des Ordensgründers des Malteserordens als seinen Ordensnamen gewünscht, als er am 1. September 1982 in den Orden der Missionsbenediktiner in St. Ottilien, beim heutigen Abtprimas der Benediktiner, Notker Wolf, eingetreten ist.

"Sie werden niemals getadelt, wenn Sie Zeit bei einem Patienten verbringen. Und wenn der Kranke Sie eine Stunde braucht oder länger, um zu reden oder einfach, dass Sie seine Hand halten." Das erfährt jede Pflegekraft beim Einstellungsgespräch. Hauptamtliche, vor allem zahlreiche ehrenamtliche Helfer machen diese Pflege möglich.

Die von einer Vollkrankenschwester professionell geführte Krankenstation besteht aus einem Neun-Bett-Zimmer, zwei Sieben-Bett-Zimmern, einem Fünf-Bett-Zimmer, einem Vier-Bett-Mutter-und-Kind-Zimmer und vier Einzelzimmern, wovon eines ein Wachzimmer ist. Jedes Bett kann mit einem dichten Vorhang abgetrennt werden, was bei jeder Untersuchung oder bei der individuellen Versorgung des Kranken selbstverständlich ist.

Sonne und Luft tanken

Von jedem Krankenzimmer aus können die Betten auch auf die große, extra dafür ausgerichtete Terrasse geschoben werden, damit vor allem die an Tuberkulose erkrankten Patienten Sonne und frische Luft tanken können. Das trägt sehr zur Gesundung der Erkrankten bei. Dort trainieren nicht Bettlägerige in angeleiteter therapeutischer Gruppengymnastik ihre Muskulatur, sie freuen sich und lachen dabei, obwohl es für sie anstrengend ist.

Bekommt ein Kranker mehr als drei Besucher, dann wird der Patient je nachdem mit dem Rollstuhl oder mit dem Krankenbett in das große Besucherzimmer geschoben. Im Hintergrund arbeiten viele Hände ineinander. Sei es in der Küche, in der Wäscherei, im Bad- oder im Fäkalienraum.