Burgheim
Burgheim rüstet sich für Asylbewerber

20 Interessierte wollen am Montag einen Helferkreis installieren – Bislang noch kein Standort gefunden

30.06.2015 | Stand 02.12.2020, 21:07 Uhr

Auf dem Podium am Montag in Burgheim: (von links) stellvertretende Landrätin Sabine Schneider, der Kurde und deutsche Staatsbürger Soran Faraj, Wolfgang Amler von der Caritas, Bürgermeister Michael Böhm, Landrat Roland Weigert, Abteilungsleiter Roland Weingut und stehend Moderator Klaus Rössler. - Foto: Heumann

Burgheim (lm) Burgheim rüstet sich für die Flüchtlinge. Zwar ist in der Marktgemeinde zur Stunde noch keine Unterkunft gefunden, ein Helferkreis für den Tag x etabliert sich aber bereits. Die Aufgeschlossenheit scheint groß, latente Ängste sind indes noch nicht überwunden.

Das Thema brennt. Die Räumlichkeiten in der Gasstätte „Zur Pfalz“ reichten kaum aus. Es mussten noch die Terrassenstühle herbeigeschafft werden, und am Ende saßen noch immer nicht alle, die zu einer vom Gemeinderat organisierten Infoveranstaltung gekommen waren. Fürs Podium war lediglich der zuständige Abteilungsleiter im Landratsamt, Roland Weingut, angekündigt. Doch dann stellte sich für den politisch brisanten Part Landrat Roland Weigert (FW) selbst. Mit dabei war Stellvertreterin Sabine Schneider (SPD). Die große Politik sollte an diesem Abend außen vor bleiben. Asylrechtsdebatten bringen schließlich nichts für die tagesaktuelle Aufgabenstellung.

Die Zahl der im Landkreis lebenden Flüchtlinge wird sich, da lässt Landrat Weigert keinen Zweifel, bis Jahresende praktisch verdoppeln. Nach der derzeit praktizierten Formel ist es ein Prozent der Bevölkerung, wie viel eine Gebietskörperschaft an Flüchtlingen aufzunehmen hat. Für den Landkreis heißt dies rund 950 Menschen, für die bis Jahresende auch eine Unterkunft zur Verfügung stehen muss. Der Schlüssel für Burgheim liegt demnach bei 47. Schon im kommenden Jahr, so Weigert, aber müsse praktisch mit einer Verdoppelung der Zahlen gerechnet werden.

Der frühere Bürgermeister-Stellvertreter Peter Austel insistierte mit einigem Nachdruck bei der Standortfrage. Von 18 aus Burgheim beim Landratsamt eingegangenen Angeboten seien die meisten in dem in Austels Augen viel zu feinen Raster hängengeblieben. Die zuständigen Stellen schraubten die Ansprüche zu hoch. An zwei Objekten scheiden sich die Geister: Sowohl der Bahnhof, der der Gemeinde gehört, wie auch der sogenannte Volksfestplatz, der bislang nur ein einziges Volksfest sah, als Container-Standort, kommen nicht in Betracht. In den Bahnhof müsste die Gemeinde zu baulichen Ertüchtigung zu viel Geld reinstecken, das mit dem Volksfestplatz wurmt Landrat Weigert selbst nicht wenig. Auch ein Containerdorf aber macht keinen Unterschied, die Bayerische Bauordnung samt darin festgeschriebenem Immissionsschutz gelte auch hier vollumfänglich. Sich darüber hinwegzusetzen, eine Baugenehmigung zu erteilen, wo nicht gebaut werden dürfte, ist halt eine mehr als zweischneidige Sache. In anderer Hinsicht sei in der Praxis oft sehr viel Fingerspitzengefühl erforderlich. Seine Behörde schraube nicht den Komfort recht hoch, ein Eindruck, der vielleicht entstehen konnte, als beispielsweise jüngst eine ehemalige Bankdirektorenwohnung im Moos durchs Raster rasselte. Man müsse jedoch der Situation Rechnung tragen, dass Menschen aus völlig anderen Lebensumständen und mit anderen -Hintergründen hier jetzt einzögen, für die vermeintlich Selbstverständliches absolutes Neuland ist; mögliche Gefahrenpotenziale müssten da von vorneherein ausgeschlossen werden.

Peter Austel gefällt der Containerstandort Bidi nicht, auf den die momentane Diskussion hinzielt. Die Moos-Fraktion horcht auf, als die temporäre Nutzung aufgelassener Häuser in dem Ortsteil ins Gespräch kommt, bevor sie endgültig abgerissen werden. Landrat Weigert beschwichtigt und beunruhigt gleichermaßen: „Wir müssen jeden Standort prüfen.“ Trotz solcher Sorgen und Bedenken war am Montag insgesamt eine große Aufgeschlossenheit unter den rund 180 Gekommenen zu spüren; der Appell von Moderator Klaus Rössler war nicht ungehört geblieben, „jeden Morgen wieder in den Spiegel schauen zu können“. Caritas-Vertreter Wolfgang Amler und der zwischenzeitlich eingebürgerte Soran Faraj erzählten von ihren Erfahrungen.

Ehekirchens Bürgermeister Günter Gamisch berichtete von der erfolgreichen Arbeit des Helferkreises in seinem Ort, wo bereits zwölf Flüchtlinge leben. An die 20 Ehrenamtliche engagieren sich hier, mit praktischen Integrationshilfen bis hin zu Deutschunterricht und gemeinsamen Kaffeestunden. Die ursprünglich für die Einheimischen aufgebaute Nachbarschaftshilfe hat im Grunde ihr Spektrum ganz einfach auf die Neuankömmlinge ausgeweitet. Noch am selben Abend meldeten sich über 20 Interessierte, die sich am kommenden Montag zur ersten Zusammenkunft des Helferkreises in Burgheim treffen wollen.

Man müsse, die Vertreterinnen des Rainer Helferkreises pflichteten Günter Gamisch bei, auch Regeln aufstellen. Die würden – zu allermeist – auch verstanden. Selbstverständlich indes ist nichts. Im ersten Moment ist’s zum Lachen, im Grunde aber erschreckend, wenn Soran Faraj von einem Freund erzählt, der mit dem Fahrrad unterwegs auf der Autobahn aufgegriffen wurde. In beider Heimat gibt es keine für Räder verbotenen Wege, und ein Verbotsschild steht auch nicht an der Autobahnauffahrt.