Neuburg
"Die Bürger wollten Protest ausdrücken"

AfD hat mehr Stimmen als die SPD - CSU-Verluste ärgern OB- Persönlicher Erfolg für Brandl

24.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:27 Uhr
Die AFD feiert nach ihrem Erfolg bei der Bundestagswahl. −Foto: Hauser, Johannes, Ing (Hauser, Johannes, Ing)

Neuburg (r/szs) Die AfD sogar vor der SPD – dieses Ergebnis diskutierten gestern Abend alle Wahlbeobachter im nördlichen Landkreis. Ganz überraschend sei das nicht, meinten etliche Insider. Sie sind sich einig darüber, dass es sich um eine ausgesprochene Protestwahl gehandelt hat.

Die AfD-Wähler jetzt anzuprangern, „wäre völlig falsch“, findet Landratsstellvertreter Alois Rauscher (CSU). Für ihn sei es völlig klar, „dass Opposition kommt, wenn die etablierten Parteien nicht in der Lage sind, durch vernünftige Entscheidungen die Dinge zu lösen.“ Die Themen und Angriffe der AfD hätten offenbar etlichen Wählern imponiert. Das gute Abschneiden seines Parteifreundes Reinhard Brandl hat der CSU-Politiker durchaus erwartet. „Reinhard Brandl ist fleißig und er ist zurecht wiedergewählt worden“, so Alois Rauscher.

„Maßlos enttäuscht“ zeigt sich Oberbürgermeister Bernhard Gmehling (CSU) von den starken Verlusten seiner Partei in Bayern. Die Abwanderung von Wählern zur AfD sei sehr bedauerlich, so Gmehling, „weil die CSU in Berlin noch die beste Politik gemacht hat.“ Wenigstens mit der Wahlbeteiligung in seiner Stadt (73,6 Prozent) zeigte sich der OB zufrieden. Eine kleine Wahlparty in der Stadt verließ er schnell, um zu einem Konzert und dann in einige der 30 Wahllokale zu eilen. Knapp 300 Wahlhelfer hat die Stadt Neuburg rekrutiert, um die Bundestagswahl reibungslos abzuwickeln. Ihr vorläufiges Gesamtergebnis lieferte die Große Kreisstadt kurz vor 21 Uhr an das Landratsamt.

„Die Bürger wollten einen klaren Protest ausdrücken.“

Matthias Enghuber, CSU-Ortsvorsitzender

 

 

Die massiven Verluste der CSU in Bayern trübten die Stimmung in der CSU-Zentrale am Unteren Graben in Ingolstadt. „An Reinhard Brandl hat es jedenfalls nicht gelegen“, urteilt CSU-Wahlkreisgeschäftsführer Matthias Enghuber. Der Kandidat habe alles gegeben, „mehr Termine als Reinhard Brandl kann man gar nicht machen.“ Das starke Abschneiden der AfD hat Matthias Enghuber nicht überrascht: „Die Bürger wollten einen klaren Protest ausdrücken.“ Das sei erstaunlicherweise nicht nur mit der Zweitstimme, sondern auch mit der Erststimme geschehen.

Ihr bestes Zweitstimmenergebnis im nördlichen Kreis erreichte die AfD in Rohrenfels mit 19 Prozent vor Königsmoos mit 17,7 Prozent. Die SPD erhielt mit 12,5 Prozent traditionsgemäß Rückhalt in der Gemeinde Oberhausen.

Wahlsieger Reinhard Brandl liegt in allen Neuburger Umlandgemeinden bei über 50 Prozent. Damit erzielte er durchwegs in allen Gemeinden deutlich mehr persönliche Stimmen als Parteistimmen. Sein bestes Ergebnis lieferten ihm die Wähler in Ehekirchen mit 61,4 Prozent – das sind fast zehn Prozent über dem Zweitstimmenergebnis der CSU in der Gemeinde.

Bei den Liberalen dagegen herrschte – fast – uneingeschränkte Freude. Nach vier Jahren Abstinenz endlich wieder im Bundestag: FDP-Kandidat Jakob Schäuble zeigte sich mehr als zufrieden: „Wir haben einen starken Wahlkampf geliefert und alles reingeworfen. Sensationell, dass wir den Wiedereinzug geschafft und das Comeback hingelegt haben. Wir haben dafür gekämpft!“ Zwar ist der Spitzenkandidat enttäuscht vom starken Ergebnis der AfD, doch freilich überwog die Freude über das eigene Resultat. „Wir sind zwar nicht drittstärkste Kraft im Bund, aber wir sind eine starke Kraft. Und wir liegen mit unserem Ergebnis in Ingolstadt über dem Bundesergebnis!“

„Insgesamt ist die Wahl eine brutale Watschn für die CSU.“

Klaus Brems FW-Kreisvorsitzender

 

„Riesige Freude“ herrschte auch bei Bettina Häring. Ihre FDP ist im Bund aus dem Tal der Tränen emporgestiegen. „Ein kleiner Wermutstropfen ist, dass die AfD so gut abgeschnitten hat“, sagte die Stadt- und Kreisrätin – vor allem mit Blick auf den Landkreis. „Zweitstärkste Kraft. Ich finde es ganz schrecklich.“ Die AfD habe im Wahlkampf vor Ort große Aufmerksamkeit geschaffen. „Auch die Kandidatin hat hier sehr gut abgeschnitten, obwohl man sie kaum gesehen hat“, wundert sich Häring darüber. Bei ihr überwiegt aber klar die Freude über den FDP-Erfolg. Was hält sie von einer Jamaika-Koalition? „Ja, warum nicht“, antwortet Häring. „Wenn das in Neuburg so gut funktioniert, warum nicht auch im Bund.“ Dennoch wäre ihr die FDP in der Opposition „sogar noch lieber“.

Ihre grüne Amtskollegin in Stadtrat und Kreistag, Karola Schwarz, ist etwas zurückhaltender: „Man muss jetzt die Verhandlungen abwarten, was für Möglichkeiten es gibt“, sagt Schwarz zu Jamaika. Mit dem Abschneiden der Grünen ist sie zufrieden. „Wenn es so bleibt, bin ich eigentlich ganz glücklich“, sagt sie zum Abschneiden im Norden des Landkreises Neuburg-Schrobenhausen. „Mit der Audistadt ist das hier nicht das beste Pflaster für die Grünen.“ Der Erfolg der AfD in Bund und Region stimmt die Grüne aber auch traurig. „Das liegt meiner Meinung nach an der mangelnden Entschiedenheit der CSU, sich gegenüber der AfD abzugrenzen“, sagt Schwarz.

„Die CSU ist selber schuld!“, heißt es reihum im Ingolstädter Büro der Grünen. „Die haben wirklich alles falsch gemacht, alles!“ Agnes Krumwiede, die Bundestagskandidatin, erklärt das Plus ihrer Partei vor allem mit der „Polarisierung in der Gesellschaft – vielleicht haben uns diesmal wegen der AfD Leute gewählt, denen wir beim letzten Mal wegen irgendwas zu radikal waren.“ Nix mehr Veggie-Day. „Jetzt geht’s ums Ganze!“, sagt Krumwiede. „Um die Demokratie! Um den Einsatz gegen unsere Feinde: die AfD.“

„Insgesamt ist die Wahl eine brutale Watschn für die CSU in Bayern“, sagt Klaus Brems, Kreisvorsitzender der Freien Wähler. „Es ist erschreckend, dass die AfD so viele Protestwähler gewonnen hat.“ Zusammen mit seinem Vorstand will er ergründen, was die AfD gerade hier so stark macht. Das Abschneiden seiner Freien Wähler, speziell der Kandidatin Angela Mayr, sei „ein sehr achtbares Ergebnis bei einer Bundestagswahl“. So sah es auch die Kandidatin selbst: „Mit meinem persönlichen Ergebnis bin ich zufrieden, das ist eine Steigerung gegenüber der letzten Bundestagswahl“, gab Angela Mayr zu Protokoll. Das Wahlergebnis im Allgemeinen sei jedoch „der blanke Horror.“ Die etablierten Parteien müssten nun sehen, dass es rückblickend eine einmalige Protestwahl bleibe und sich darüber Gedanken machen, wie sie mit dieser Situation, also einem starken Ergebnis der AfD, umzugehen hätten.