Besuch im Tal des Todes

24.09.2009 | Stand 03.12.2020, 4:38 Uhr

Blick hinab in die Aidshölle, wie Pater Gerhard Lagleder das Tal nennt, in dem knapp 90 Prozent der Bevölkerung mit der tödlichen Krankheit infiziert sind. - Foto: oh

Neuburg/Mandeni (DK) Heute sind mein Bruder, Pater Gerhard Lagleder, und ich in einer atemberaubenden Landschaft unterwegs. Die Hügel zeichnen sich weich abfallend zum Tugelafluß hin ab. Palmen vervollkommnen das malerische Bild eines Paradieses, in dem ein unerbittlicher Krieg wütet.

Das Anliegen von Pater Gerhard ist es, die katastrophalen Lebensverhältnisse und die Not der Menschen zu zeigen. Bei der Fahrt durch das um die Papierfabrik und das große Industriegebiet in Isithebe entstandene Slum (etwa 50 000 Einwohner) und die Township Sundumbili (etwa 100 000 Einwohner) werde ich mit purer Armut konfrontiert. Auf den unbefestigten Straßen kommt man nur mit einem Geländewagen vorwärts.

Dank der Spende des Neuburgers Peter Wiedemann, der anlässlich seines 50. Geburtsages statt Geschenken um Spenden für die "Brotherhood of Blessed Gerard" gebeten hatte, konnte durch die Verdopplung der gespendeten Summe durch Rotary International ein dringend benötigtes Fahrzeug gekauft werden. Da die Projekte der Brotherhood fast ausschließlich von Spenden abhängen, sind wir um jede Gabe unendlich dankbar, die hilft, die Menschen in ihrer Not zu unterstützen.

Vor 18 Jahren hatten wir eine ganz kurze Fahrt durch das gefährliche Gebiet unternommen. Das Auto war von innen verriegelt, die Fenster verschlossen. Heute sind zwar die Türen zu, die Fenster allerdings weit geöffnet. "Bitte fotografiere, fotografiere soviel Du kannst, bleib auf dem Auslöser. Die Menschen in der Welt müssen erfahren, wie erschütternd schlecht es den Armen hier geht."

Ich fotografiere Verschläge, die als Behausung dienen, und einfache Hütten für Industriearbeiter, die von brutalen Geschäftemachern für sie gebaut werden. Die Arbeiter haben jeweils sechs Quadratmeter für sich und müssen dafür hohe Mieten bezahlen. Sie sind wie Reihenhäuser aneinandergebaut. Es gibt keine sanitären Einrichtungen, Wasser muss mit Kanistern von weit her geholt werden. Inmitten ihrer Abfallberge hausen diese Menschen. Ziegen, Hühner und Kinder laufen durch den Unrat.

Unvorstellbar und unbeschreiblich ist der Platz, an dem Tiere geschlachtet werden. Die hygienischen Verhältnisse sind verheerend. Ein Ort, an dem Krankheiten entstehen. Wellblech, Stacheldraht, Autoreifen, Plastikfolien und Holzstücke sind unter anderem Baumaterialien. Zirka 30 Prozent der Kinder gehen nicht zur Schule. Die meisten Familien können sich das Schulgeld nicht leisten.

Als wir vorbeifahren, laufen immer wieder Menschen aus ihren Hütten, winken und rufen: "Baba, Baba Gerard!" Die Kinder hüpfen vor Freude und die Erwachsenen lachen ihn an. Viele kennen ihn auch vom Hospiz, in dem sie selbst oder Familienangehörige gelegen waren.

Seit den letzen 18 Jahren hat sich vieles getan. Die Fahrzeuge der Brotherhood kennt man. Durch Direkthilfe, wie Lebensmittelpakete konnte schon vielen Menschen weitergeholfen werden, wenn diese zum Beispiel krank waren und deshalb nicht arbeiten konnten. Auch durch die Nähschule wurde vielen Frauen weitergeholfen, weil sie ausgebildet wurden und jetzt selbst eigene Nähschulen haben oder als Schneiderinnen tätig sind. Die Kranken werden medizinisch versorgt, für manche Kinder wird durch den Stipendien-Fonds das Schulgeld bezahlt. Diese Menschen haben begriffen, dass sie Bildung aus dem Teufelskreis der Armut reißt.

Mein Bruder deutet auf ein paar Hütten und erzählt, wie sie eines der Kinder, das heute im Blessed Gerards Kinderheim lebt, von dort herausgeholt hatten. Völlig abgemagert, schwer misshandelt und krank. Menschen, die mit dem Kind Mitleid hatten, haben es dem Sozialamt gemeldet, das sich dann direkt mit dem Care Centre in Verbindung gesetzt hatte.