Bergheim
Hand in Hand mit der Natur

Der Bergheimer Rechtler Theo Weidacher erklärt, warum ein Nationalpark im Donau-Auwald nicht funktionieren würde

16.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:56 Uhr

Foto: Stefan Janda

Bergheim (DK) Ein Nationalpark in den Donau-Auen hätte für die Wälder bei Bergheim gravierende Folgen. Diese Befürchtung hegen die dortigen Rechtler rund um Theo Weidacher. Bei einer Tour durch den Forst erklärt er, wie die Waldgenossen arbeiten und warum sie einen Nationalpark ablehnen.

Es raschelt im Unterholz. In ein paar Metern Entfernung haben die beiden Besucher ein Tier aufgeschreckt. Vielleicht ein Reh, doch das lässt sich im dichten Grün des Waldes nicht erkennen. Gerade mal ein paar Meter reicht die Sicht an dieser Stelle, dann versperren sie Baumstämme, Sträucher und Blätter. Dunkel müsse er sein, der ideale Wald, sagt Theo Weidacher. "Damit kann man etwas anfangen." Und genau das wollen der Bergheimer und seine Kollegen der Waldgenossenschaft mit ihren 170 Hektar Forst auch in Zukunft machen. Etwas mit dem Wald anfangen, ihn nutzen, zum Teil bewirtschaften und dadurch auch für die kommenden Generationen erhalten.

Ist das mit einem Nationalpark in den Donau-Auen nicht mehr möglich? An dieser Frage scheiden sich die Geister. "Mit einem Nationalpark würde sich die Struktur unseres Waldes massiv verändern", findet Weidacher. Das Umweltministerium als federführende Behörde spricht sich zwar für den Erhalt bestehender Nutzungsrechte aus. Doch vollständiges Vertrauen haben Weidacher und Co. in diese Aussage aus München nicht. Auch deshalb haben sie sich einstimmig gegen eine Abgabe der Flächen für den möglichen Nationalpark zwischen Marxheim und Kelheim ausgesprochen.

Und aus noch einem wichtigen Grund. "Man muss den Bäumen hier immer wieder ein bisschen helfen", erklärt der Schriftführer und Kassier der Rechtlergemeinschaft, die derzeit 55 Mitglieder zählt. Weidacher steht mitten im Grün. Eschen und Eichen umgeben ihn, Ahorn und Linden. Auch Kirschbäume und Hainbuchen wachsen hier vereinzelt, ebenso Birken und auch ein paar Nadelbäume. "Etwa 95 Prozent unseres Bestandes sind Laubbäume", erklärt er, einige davon seien bis zu 100, 120 Jahre alt. Andere haben gar nicht die Chance, dieses Alter zu erreichen. Weidacher greift nach einem faserigen Ast. Die Gewöhnliche Waldrebe - ein Dorn im Auge der Rechtler. Der Kletterstrauch, der Bäume wie ein Parasit befällt und sich daran hochschlängelt, kann junge Pflanzen zum Absterben bringen. "Ohne intensive Handarbeit geht daher gar nichts", weiß der 54-Jährige, der die Waldarbeit im Nebenerwerb betreibt. Etwa 300 bis 450 Stunden betrage dadurch der Pflegebedarf auf den genossenschaftlichen Flächen pro Jahr. Dass dieses Pensum in nächster Zeit abnehmen wird, ist ausgeschlossen, wie sich bei der Tour durch den Wald zeigt. An vielen Stellen sprießt die Gewöhnliche Waldrebe, schnürt die Bäumchen ein und nimmt ihnen das lebensnotwendige Licht. Andernorts wuchert Hartriegel in den Bergheimer Wäldern und nimmt den jungen Trieben den Raum zum Wachsen.

Wie das ohne intensive Pflege abläuft, demonstriert Weidacher an einer Fläche am südlichen Donau-Ufer. Nach der Aufforstung 2003 folgte zwei Jahre später im Zuge der Renaturierung der Auen der Verkauf. Seitdem verbreiten sich die unliebsamen Pflanzen mit tödlichen Folgen für Bäume. "Urwald ist das zwar, doch maximal fünf Meter hoch", erklärt Weidacher beim Gang durch das Dickicht. 75 Prozent der Fläche eines Nationalparks sollen einmal sich selbst überlassen werden. Ein Horrorszenario für den Naturfreund und seine Mitstreiter aus Bergheim. "Wenn das hier das Verständnis eines gesunden Waldes ist, dann sieht es düster aus", sagt er und betont: "Maßnahmen mit dem Naturschutz sind denkbar, aber einen kompletten Nutzungsstopp kann ich mir deshalb nicht vorstellen."

Die Forderung nach Urwaldflächen kann Weidacher ohnehin nur bedingt nachvollziehen. Ebenso wie den Vorwurf, in bewirtschafteten Wäldern gebe es zu wenig Totholz. Beides sei bei Bergheim zur Genüge vorhanden, findet er und zeigt Beispiele zuhauf. Unter anderem direkt an den Uferbereichen gibt es keinerlei Eingriffe durch Menschenhand. Allenfalls der Biber darf hier wüten, wie Weidacher erklärt. Da der Borkenkäfer im Laubwald kein Problem darstellt, muss dort auch nicht jeder abgestorbene Stamm umgehend raus. Ganz im Gegenteil: Dicke Äste auf dem Waldboden sind alles andere als Mangelware.

Sorgen bereitet den Bergheimern auch die Aussicht auf eine reduzierte Jagd in einem Nationalpark. Diese gibt es zwar nach wie vor, allerdings über ein sogenanntes Wildtiermanagement, dessen genaue Form noch ungeklärt ist. Der Wildverbiss und das Fegen durch Rehböcke, die ihr Geweih an Hölzern abreiben, bereiten den Waldgenossen jedoch bereits jetzt Probleme, wie Weidacher auf einer Fläche südlich der Donau zeigt. Sämtliche neu angepflanzte Bäumchen sind dort aufwendig eingezäunt. Für viele kam diese Schutzmaßnahme allerdings zu spät, wie er an einem kleinen Ahorn zeigt. "Ein paar werden sicher durchkommen, doch der Rest ist verloren." Ohne derartige Schutzmaßnahmen befürchtet Weidacher jedoch massivere Folgen für die Auwälder. Im Falle der betroffenen Fläche kann die Genossenschaft seinen Worten zufolge nachsteuern. "So ein kleiner Fehler lässt sich einfach ausgleichen", weiß er aus Erfahrung.

Doch wie sieht das auf mehreren Hektar aus? Nur ungern erinnert sich Weidacher an die Folgen der Borkenkäferplage im Bayerischen Wald, wo das gefräßige Insekt viele Tausend Bäume abgetötet hat. "In einem Nationalpark habe ich keine einzige Stellschraube", erklärt er die ablehnende Haltung der Bergheimer. An diesem Standpunkt - für verantwortungsvolles Handeln im Wald - wird sich daher wohl kaum etwas ändern.