Bergheim
Leben mit den Elementen

Der Bergheimer Waldkindergarten feiert sein Zehnjähriges - Am Anfang gab es Widerstand

02.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:25 Uhr
Ulrike Mommendey hatte einen Teppich mitgebracht, auf dem sie mit den Kindern ins Märchenland flog. Dort erzählte sie unter anderem vom Hasen, der den Sommer über Geschichten sammelte, während die anderen Tiere Wintervorräte zusammentrugen. −Foto: Hammerl

Bergheim (DK) Vom ungeliebten Kind zum akzeptierten Vorzeigeprojekt - wer hätte damals gedacht, welch steile Karriere der Waldkindergarten Bergheim innerhalb von nur zehn Jahren nehmen würde? Dass es ein steiniger Weg bis hierhin war, klang nur andeutungsweise während der fröhlichen Jubiläumsfeier an.

"Schön ist es, im Wald zu sein", sangen die Waldkindergartenkinder mit Erzieherin Christin Göschel sowie Kinderpflegerin Anastasia Holzwert und wurden dabei von Kolleginnen aus dem Regelkindergarten unterstützt. Den Text des alten Schlagers "Schön ist es, auf der Welt zu sein", hatten sie auf ihre Waldkindergartenwelt umgetextet, so dass es von Stöckchen schnitzen, Zickzackkurs-Rennen im Wald und Ausruhen unter alten Bäumen erzählte.

"Unser Waldkindergarten ist ein wunderbarer Platz für Kinder, um zu wachsen", unterstrich Gesamtleiterin Angelika Wesolowski den besonderen pädagogischen Ansatz. Im Wald lernten und lebten die Kinder mit den vier Elementen, erlangten Achtsamkeit den Dingen und sich selbst gegenüber, erlebten den Jahreskreislauf, lernten Teamarbeit beim Höhlebauen und Vorsicht beim Schnitzen. "In der Natur steckt ein großer Lehrmeister", sagte Wesolowski und nannte als Beispiel Mengenverständnis und Mathematik, die beim Sammeln von Zapfen und Steinen trainiert würden. Auch physikalische Erfahrungen machten sie beim Springen in Pfützen oder Staudamm bauen. "Ich bin dankbar, dass ich so einen Kindergarten leiten darf", schloss Wesolowski, nachdem sie das neue Kombi-Angebot, vormittags Waldkindergarten, nachmittags Regelkindergarten mit Mittagessen, vorgestellt hatte.

Als die ehemalige Bürgermeisterin Anni Stadlmeier auf Vorschlag der für Kindertagesstätten zuständigen Sachbearbeiterin Andrea Kirschner vom Jugendamt den Waldkindergarten vor zehn Jahren gegen so manche Widerstände im Gemeinderat, vor allem aber aus dem Regelkindergarten, initiierte, war eine Halbtagsbetreuung ausreichend. Längere Betreuungszeiten sind schwierig umzusetzen, da die Kinder nach einigen Stunden draußen schlicht fertig sind, von Regen oder Kälte ganz abgesehen. Doch die Nachfrage nach verlängerten Betreuungszeiten ist mittlerweile auch bei Eltern der Woid-Wusler, so der Gruppenname, gestiegen. Die Lösung hat nun der neue Kindergartenbus gebracht, der sechs der 18 Waldkindergartenkinder zu Mittagessen und Nachmittagsbetreuung in den Regelkindergarten nach Bergheim bringt. Insgesamt besuchen 85 Kinder die Einrichtung, darunter 18 Waldkindergarten- und 15 Krippenkinder.

Die Entwicklung zeichnete Bürgermeister Tobias Gensberger kurz nach, erinnerte an die Not der Gemeinde vor zehn Jahren, "als wir kein Geld, aber viele Kinder hatten". Kirschner habe Stadlmeier damals geraten, eine Waldkindergartengruppe aufzumachen, da sie schnell einzurichten und vergleichsweise preiswert sei, da hauptsächlich Personalkosten anfallen. Die Überzeugungsarbeit, die die damalige Bürgermeisterin zu leisten hatte, sei nicht leicht gewesen. Nun freue er sich, mit dem Bus und dem Kombi-Angebot eine Lücke im Betreuungsangebot der Kommune schließen und einen weiteren Schritt zur attraktiven und zeitgemäßen Kinderbetreuung gehen zu können und dankte dem Ehepaar, das unermüdlich bei Handwerkern und Geschäftsleuten um Sponsoren für den Bus geworben hatte.

Den kirchlichen Segen erteilte Pfarrer Michael Sauer dem Gefährt, nachdem er den Kindern gebeichtet hatte, dass er erstmals bei den Woid-Wuslern sei. Anschließend konnte der Kindergarten besichtigt werden, es gab Kaffee und Kuchen sowie spannende Geschichten von Ulrike Mommendey, die vom Bären erzählte, der Winterschlaf halten wollte und dabei vom Eichhörnchen gestört wurde.

HINTERGRUND

Was Bürgermeister Tobias Gensberger nicht erwähnte: Ein Standort und ein alter Bauwagen waren bald gefunden, mit Susanne Medele und Daniel Gegenfurtner auch das geeignete Personal. Mit der Akzeptanz des Waldkindergartens, der von Anfang an Teil des Regelkindergartens war, dauerte es deutlich länger, vor allem im Regelkindergarten wurde die neue Gruppe offenbar als Konkurrenz gesehen. Unter Bürgermeister Michael Hartmann wäre es beinahe zur Schließung gekommen - ironischerweise mit der Begründung, der Waldkindergarten sei für einen Großteil des Defizits verantwortlich. Nachdem sich das als Fehlinformation herausgestellt hatte, revidierte Hartmann die Entscheidung.

Angesichts der Vorgeschichte ist es umso erfreulicher, wie gut die Woid-Wusler nun in die Gesamteinrichtung integriert sind und offensichtlich auch geschätzt werden. Ein gutes Omen für die nächsten zehn Jahre, zumal mit dem Kombinationsmöglichkeit ein vorbildliches neues Angebot geschaffen wurde. Ein Alleinstellungsmerkmal zumindest im Landkreis, wenn nicht darüber hinaus, denn die meisten Waldkindergärten stehen nicht in kommunaler Trägerschaft, sondern werden als Privat- oder Elterninitiativen betrieben. | ahl