Bergheim
Haarige Spende

17.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:38 Uhr

Moment der Wahrheit: Virginie Bollinger schneidet Daniela Swistak den langen Zopf ab. - Foto: Karin Heidmeier

Lange Haare: für viele das Symbol für Weiblichkeit schlechthin. Daniela Swistak war das egal. "Die wachsen ja nach." Sie hat ihre Haare an einen Verein gespendet, der daraus Perücken für krebskranke Menschen macht.

Bergheim (DK) Eigentlich hat sie schon immer lange Haare gehabt. Nur in der Pubertät, da hat sie mal ein bisschen mit Länge und Farbe experimentiert. "Mit dem Kurzhaarschnitt war ich aber total unglücklich, damals war ich 13 Jahre alt", erzählt die 36-jährige Bergheimerin. Seitdem hat sie die Mähne wachsen lassen, immer weiter.

Vor etlichen Jahren sah Daniela Swistek dann eine Reportage im Fernsehen, in der es darum ging, wie aus Haaren Perücken für Krebskranke entstehen. "Das hat mich damals schon tief berührt", erzählt sie. "Für die Frauen, die wegen der Chemotherapie ihre Haare verlieren, war das wie ein Geschenk des Himmels." So richtig vergessen konnte sie den TV-Beitrag nicht. "Das Leben kann so schnell vorbei sein, was spielen da Haare schon für eine Rolle", dachte sie sich. Doch so richtig konnte sie sich dennoch noch nicht überwinden, die lange Mähne abschneiden zu lassen.

Und dann traf das Schicksal auch sie. Von heute auf morgen. Knallhart. Der beste Freund ihres Mannes erkrankte an Krebs. Anfang 40 war der Weicheringer damals. "Es ging im Bauch los, später hatte er überall Metastasen", erinnert sich die 36-Jährige. "Zwei Tage vor seinem Geburtstag bekam er die Diagnose. Zwei Jahre später war er tot." All das Kämpfen, das Hoffen und Bangen - letzten Ende umsonst. Die Chemotherapien, die dem Mann die letzten Kräfte raubten, schlugen nicht an. "Das war immer ein Auf und Ab, mal ging es besser, mal schlechter. Zwischendurch haben wir wirklich gedacht, er packt es." Er schaffte es nicht. "Wir sind davor überhaupt nicht mit dem Thema Krebs in Berührung gekommen, plötzlich stellt man sich ganz andere Fragen. Was eigentlich wichtig ist im Leben."

Und dann erinnerte sie sich wieder an den Fernsehbeitrag von damals. An die Perücken für krebskranke Frauen. Eigentlich, sagt Daniela Swistak, habe sie ganz genau gewusst, dass das eine tolle Sache ist. Doch der innere Schweinehund rebellierte noch eine Weile. Sollte sie sich wirklich von ihren liebgewonnenen Haaren trennen? Von der langen Mähne, die irgendwie zu ihr gehörte? "Ich habe dann noch eine Zeit lang nach Ausreden gesucht, dass sie noch ein bisschen weiter wachsen müssen zum Beispiel." Doch dann war die Zeit der Ausreden vorbei. Jetzt oder nie. Daniela Swistak war bereit, von ihren Haaren Abschied zu nehmen. "Ich habe gesunde Haare", sagt die 36-Jährige. "Sie wachsen ja wieder nach. Und es ist schön zu wissen, dass ich damit eine andere Frau glücklich machen kann."

Die Suche nach einem Friseur, der den passenden Kontakt herstellen kann, verlief allerdings etwas schwierig. "Viele haben keine Ahnung von dem Thema", berichtet die Bergheimerin. In ihrer Not kontaktierte sie die Neuburger Fotografin Karin Heidmeier. "Weil die ja so viele Leute kennt." Und Karin Heidmeier konnte helfen. Ihre Freundin, die Friseurin Virginie Pflug, nahm sich der Sache an. Der Verein "Haarschnitt mit Herz" ist genau das, was Daniela Swistak gesucht hatte. Und dann war es soweit.

Am großen Tag lud Karin Heidmeier die Bergheimerin zuerst in ihr Studio ein, um Vorher-Bilder zu machen. Dann ging es in die Virginie Bollinger Hair & Beauty Galerie. "Ich hatte schon Herzklopfen, als ich die Schere gesehen habe", erzählt Daniela Swistak. Eine knappe Minute dauerte es, da war der lange Zopf ab. "Ich hab' in den Spiegel geschaut, und es war echt okay. Ich hatte es mir noch kürzer vorgestellt." Die Friseurin schnitt ihr aus den verbliebenen Haaren einen trendigen Bob. "Am Ende sind es doch nur Haare", sagt sie selbstbewusst. "Es ist ein tolles Gefühl, damit jemandem etwas Gutes zu tun, der einen solchen Schicksalsschlag wie Krebs erleiden muss." Sie wolle auch andere Frauen dazu ermutigen, den gleichen Schritt zu gehen. "Wer sich sowieso die Haare schneiden lassen will, der kann sie auch spenden, anstatt sie in den Müll zu werfen."

Und ihr Mann? Mit dem hat sie im Vorfeld eine Wette abgeschlossen - die er verlor. "Jetzt darf er nichts über meinen neuen Haarschnitt sagen", sagt die Bergheimerin und lächelt. Sie ist glücklich mit ihrer Entscheidung - weil sie weiß, dass sie das Richtige getan hat. Eine andere Frau wird nun ihre Haare tragen, und so vielleicht die Krebserkrankung ein wenig leichter ertragen. Und ihr verstorbener Freund wäre auch sicherlich sehr stolz auf sie.