Attenfeld
Kosmopolit im 150-Seelen-Dorf

Der iranischstämmige Bildhauer Seyed Faslollah "Fasi" Setayesh hat seine Werkstatt in Attenfeld

27.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:45 Uhr

Foto: Sebastian Schanz

Attenfeld (DK) Er meißelt christliche Kreuze in Grabsteine und schätzt den jüdischen schwarzen Humor: Der iranischstämmige Bildhauer und Steinmetz Seyed Faslollah "Fasi" Setayesh feilt in seiner kleinen Attenfelder Werkstatt an seiner großen Idee eines globalen Zusammengehörigkeitsgefühls.

"Servus, ich bin der Fasi." Wer an der Werkstatt des Steinmetzes vorbeikommt, der wird bairisch und vor allem herzlich begrüßt. Zufällig werden sich aber nur die wenigsten hierher verirren, denn der 51-Jährige hat sein Atelier in Attenfeld, im 150-Einwohner-Ortsteil Bergheims. "Ja, das hat sich so ergeben", sagt Fasi und lacht.

Dann erzählt er seine spannende Geschichte. Der Vater ein hoher iranischer Richter, die Mutter Tochter eines Großgrundbesitzers, wuchs er in Teheran auf. "Dort lebten fünf Religionen nebeneinander und der Ausländeranteil war hoch", erzählt der Künstler. Diese Vielfalt habe ihn geprägt. Der Erste Golfkrieg (1980 bis 1988) veränderte sein Leben für immer, aus Furcht vor einem allzu frühen Tod in einer Giftgaswolke flüchtete der junge Mann nach Europa. Über Jugoslawien gelangte er vor 28 Jahren nach Deutschland, wo er Asyl bekam. Arbeitserlaubnis hin oder her, habe er schon nach wenigen Wochen bei Handwerkern mitgeholfen. Der Ingolstädter Bildhauer Ludwig Hauser erkannte sein Talent, nahm ihn in die Lehre. Danach verdiente er sich im Altmühltal seine Brötchen, absolvierte in München die Meisterschule. "Und seit 2004 bin ich selbstständig als freischaffender Künstler", erzählt Fasi. Im Neuburger Ostend fand er eine erste Werkstatt, wo er laut sein konnte. Als er dort ausziehen musste, wurde er in einer Zeitungsannonce auf das kleine Bauernhaus in Attenfeld aufmerksam, kaufte es und richtete es her.

Auch privat ist der Familienvater angekommen, ist mit einer Bayerin verheiratet und lebt in Ingolstadt. Verschmitzt erzählt Seyed Faslollah Setayesh die Geschichte, wie er seine Frau bei einem feuchtfröhlichen Abend in Ingolstadts Kultkneipe Englwirt kennenlernte. "Weil mein Name so kompliziert ist, habe ich ihr meinen Ausweis gezeigt. Mir war in dem Moment gar nicht klar, wie wichtig das war, denn so wusste sie gleich, dass ich einen deutschen Pass habe und an ihr interessiert bin und nicht an irgendeinem Aufenthaltstitel."

Was ist das Geheimnis für sein Musterbeispiel an Integration? Sein Talent als Bildhauer? Die Sprache? Fasi zuckt mit den Schultern. "Ich habe kein Problem, mit Menschen ins Gespräch zu kommen", sagt er. Und spätestens wenn er die Ideen hinter seinen Kunstwerken erklärt, versteht das Gegenüber, warum ihm das Verbindende so wichtig ist.

Er selbst nennt das "Manifestation eines globalen Realismus". "Das ist es, was ich behaupte, zu machen", sagt er. Die Welt habe es geschafft, eine Art von globaler Wirtschaftsordnung zu knüpfen, warum also nicht auch eine Gemeinschaft von Empathie und Sympathie? Um das zu verdeutlichen, bedient er sich in der direkten Nachbarschaft. "Hier in Attenfeld helfen die Menschen zusammen, wenn etwas ist, auch wenn sie sich manchmal auch längere Zeit nicht sehen." Von der kleinen Familienbande und Dorfgemeinschaft hebt der Künstler auf die globale Menschheit ab: Auch hier sei ein Zusammengehörigkeitsgefühl möglich. Auch wenn bis dahin noch viel Mühe nötig sei.

Zwei Hauptprobleme diagnostiziert der Deutsch-Iraner dabei: die unfaire Verteilung von Energieressourcen und die Religionen. Rockefeller, die "Oil Companies" und den Neoliberalismus hat der Künstler als Ursachen des globalen Ungleichgewichts bei der Energie entlarvt und klagt sie durch seine Gemälden und Skulpturen an. Da kentern Flüchtlingsboote auf einem tosenden Meer aus Öl, treibt der Künstler im Selbstportrait in einem Barell-Fass. Eine Spielkarte zeigt den saudischen König al-Aziz und den persischen Schah Mohammad Reza Pahlavi als austauschbare Marionetten. "Sie werden als Herzkönige dargestellt, sind aber nur billige Spielkarten", sagt Fasi. Eine römisch-westliche Denker-Büste verliert im Angesicht des F-16-Kampffliegers jede Souveränität. Eine große Kreissäge fährt durch die Zwillingstürme des World-Trade-Center und spaltet die Welt. "9/11 hat alles verändert", sagt Fasi.

Man müsse Probleme aufzeigen und Lösungen vorschlagen, um Wege zu einer friedlichen Weltordnung zu finden. Das also meint "globaler Realismus".

Ideen für seine Statuen entwirft und entwickelt der Bildhauer zunächst mit Blei, Gips und Bronze, ehe er sie im Stein verewigt - mit einem unverkennbaren Händchen für Proportionen. Gelernt ist gelernt. Mit Auftragsarbeiten, Grabsteinen und Gartendekoration verdient sich der Steinmetz im Sommer genügend, um im Winter Muße für seine Kunst zu haben.

Die will er bald auch allen Interessierten zeigen, beim Tag der offenen Tür in seiner Attenfelder Werkstatt in der Dorfstraße 13, am Samstag und Sonntag, 9. und 10. Juli, von 10 bis 20 Uhr.