Neonazis in der Black-Metal-Szene

06.06.2008 | Stand 03.12.2020, 5:51 Uhr

Brauner Spuk: Bei einem Black-Metal-Festival traten kürzlich in Ingolstadt auch Mitglieder der französischen Neonazi-Band "Ad Hominem" auf, die laut Experten den Holocaust glorifizieren. Ihre hasserfüllten Videos im Internet sprechen eine deutliche Sprache, die jedoch oft nicht strafrechtlich relevant ist. - Foto: oh

Ingolstadt (DK) Bei einem Black-Metal-Festival traten kürzlich in Ingolstadt Mitglieder einer französischen Neonazi-Band auf. Am Rande der zweitägigen Konzertveranstaltung kam es auch zu rechtsextremen Aktivitäten. Die Polizei schritt nicht ein, der braune Spuk führte aber zu Protesten in der Szene.

"Black Metal", sagt ein deutscher Szenekenner, der aus Sicherheitsgründen anonym bleiben will, "ist kein Kindergarten." Die Subkultur in der laut und schnell gespielten Rock-Musik entstand Ende der 1980er in Skandinavien und zählt heute in ganz Europa zahlreiche Fans. Lieder und Auftreten der Musiker zeichnen sich durch satanische, heidnische oder menschenfeindliche Elemente aus. Die Gesichtsbemalung etwa ("Corps Paints" oder "War Paints") soll durchaus Angst einflößend wirken. Viele Bands treten auch Blut verschmiert auf die Bühne. "Das Schlimmste wäre, wenn in der ersten Reihe beim Konzert Teenies stehen und den Sänger anhimmeln", weiß der Kenner.

Seit Jahren wird die Szene von Neonazis unterwandert. Als der Hobby-Veranstalter Kamil S. das Festival "Storm of Destruction" am 23. und 24. Mai im Ingolstädter Ohrakel vorbereitete, reichte er daher wohlweislich die Liste der eingeladenen Bands aus ganz Europa sowohl beim Kulturamt als auch bei der Polizei ein. "Gegen niemanden lag etwas vor", sagt Polizeisprecher Heinz Rindlbacher. "Keine Band steht unter Beobachtung des Staatsschutzes."

Am Freitagabend gegen 19 Uhr trat allerdings die italienische Gruppe "Frangar" auf die Bühne – ein deutlichen Kontrast zu den anderen Festival-Musikern dar: Das Konzert fand hinter Stacheldraht statt, die Musiker waren in schwarze Uniformen mit roten Armbinden an den Hemden gekleidet. "Da fehlten nur die Stahlhelme, und es wäre die SS gewesen", sagt eine Augenzeugin dem DONAUKURIER. Einige Fans verließen wegen dieses Auftretens auch relativ schnell das Ohrakel. Denn bei "Frangar" spielten auch Mitglieder der französischen Neonazi-Gruppe "Ad Hominem", unter anderem der Band-Führer "Kaiser Wodhanaz".

Hans-Peter Killguss aus Köln gilt als einer der profiliertesten Kenner der Szene. Er arbeitet bei der Stadt Köln in der Informations- und Bildungsstelle gegen Rechtsextremismus. "Selbst wenn die Mitglieder es immer wieder bestreiten", erläutert er: "Ad Hominem betreibt eine sehr deutliche Glorifizierung des Holocaust." Es sei in der Szene durchaus üblich, dass die bekannten Neonazis und Faschisten auch Nebenprojekte betreiben und in verschiedenen Bands spielen. "Ich rate Konzertveranstaltern daher, sehr sorgfältig zu recherchieren", sagt Killguss.

Veranstalter Kamil S. beteuert, von dem politischen Hintergrund von "Kaiser Wodhanaz" erst nach Vertragsunterzeichnung erfahren zu haben. "Im persönlichen Gespräch machte er einen ganz normalen Eindruck." Den Auftritt der SS-artigen Truppe selbst bekam der Organisator nicht mit, denn das Festival lief nebenbei aus dem Ruder: Weil viele der angereisten Fans keine Unterkunft hatten, wurde der Parkplatz vor dem Ohrakel zum Zeltlager umfunktioniert. Die meiste Zeit hatte S. nach eigenen Angaben damit zu tun, hier für Ordnung zu sorgen. "Wenn ich Frangar auf der Bühne gesehen hätte, wäre der Auftritt sofort abgebrochen worden", versichert S., der mit Nazis "nichts am Hut" haben will.

Mehrere Augenzeugen, die sich klar von den Nazis distanzieren, berichteten dem DK über weitere Vorfälle auf dem Gelände: So soll eine (erlaubte) Reichskriegsflagge in einem Bus gehangen haben und zeitweise über den Zeltplatz getragen worden sein. An einem Verkaufsstand soll es verdächtige Merchandising-Ware gegeben haben. Zudem erklang aus einigen Autos Musik, so die Zeugen, von "eindeutig rechtsextremen Bands". Die Zahl der Neonazis wird auf 15 bis sogar 50 geschätzt. Insgesamt dürften etwa knapp 500 Personen aus ganz Europa das Festival besucht haben.

Die Ingolstädter Polizei, die während der gesamten Veranstaltung vor Ort war und dabei auf das Prinzip Deeskalation setzte, meldet nur zwei Vorfälle mit alkoholisierten Konzertbesuchern. Die Rechten achteten offenbar genau darauf, den Beamten vor Ort nicht aufzufallen: "Das ist oft hart an der Grenze, aber eben nicht strafrechtlich relevant", sagt Polizeisprecher Heinz Rindlbacher.