Die Kettenreaktion erfasst die Region

24.02.2009 | Stand 03.12.2020, 5:10 Uhr

Dunkle Wolken über Continental-Temic: Auch hier droht mittlerweile Kurzarbeit. - Foto: Stadik

Ingolstadt (DK) Die Zahl der Kurzarbeiter in der Region steigt weiter an: Bis gestern waren insgesamt 5532 Beschäftigte offiziell bei der Arbeitsagentur gemeldet. Noch fehlen die 17 000 Audi-Mitarbeiter in der Statistik. Und: Conti-Temic kündigt an, im März wohl die Produktion einzuschränken.

Die Finanzkrise und die schwierige Wirtschaftslage haben eine Kettenreaktion ausgelöst, die in der Region immer mehr Unternehmen erfasst. "Die Kurzarbeit betrifft querbeet Betriebe und Betriebsabteilungen aus zahlreichen Branchen", berichtet Michael Pfaller, der zuständige Teamleiter für Arbeitgeberleistungen bei der Ingolstädter Agentur für Arbeit. Wegen der Produktionspause bei Audi erwischte es zunächst die automobilen Zulieferbetriebe und nun auch die weiteren Glieder in der Kette: Unter anderem haben Speditionen, Schlossereien, Werbeagenturen, Druckereien oder auch Zeitarbeitsfirmen Kurzarbeit angemeldet.

Insgesamt informiert die Arbeitsagentur derzeit 248 Firmen über die Regelungen für den Erhalt von Kurzarbeitergeld (Kug). 152 regionale Unternehmen mit 5532 Beschäftigten sind bereits in der offiziellen Kug-Statistik gemeldet. Die Audi AG hat noch bis Ende des Monats Zeit, um die Kurzarbeit ihrer 17 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Ingolstädter Produktion anzuzeigen. "Auf freiwilliger Basis", so eine Audi-Unternehmenssprecherin, bauten die Angestellten der Technischen Entwicklung (TE) zu Wochenbeginn Resturlaub oder Überstunden ab. Vom heutigen Aschermittwoch bis zum Freitag soll wechselnd die Hälfte der TE-Belegschaft daheim bleiben. Die Belegschaft ist alles andere als begeistert, dass sie teils mit sanftem Druck gezwungen wurde, frei zu nehmen, während Kollegen für Kurzarbeit um die 95 Prozent Lohn bekommen. Auch die IG Metall hat bereits kritisiert, dass das nicht richtig sei.

Auch bei Zulieferbetrieben, die nicht genannt werden möchten, wird jetzt auf den freiwilligen Verzicht auf Arbeit gesetzt. Bereits im Januar und auch im Februar hat die schwierige Absatzlage bei der Rieter Ingolstadt GmbH dazu geführt, dass die Mitarbeiter bis zu fünf Tage in Kurzarbeit waren. Etwas mehr als die Hälfte der 220 Beschäftigten sei von der Maßnahme betroffen gewesen, berichtet Personalchef Erwin Schneider. Manche hätten auch ihr Gleitzeitguthaben ausgeglichen, andere Resturlaub genommen. "Im März wird es wohl nicht weniger Kurzarbeit geben", vermutet Schneider und verweist darauf, dass die Regelung eng mit dem Betriebsrat abgestimmt werde. Ebenfallsls im März werden wohl die Mitarbeiter von Conti-Temic in Ingolstadt mit Kurzarbeit rechnen müssen. Im ersten Zug, so Betriebsratsvorsitzender Erwin Wörle, seien die 380 Beschäftigten in der Produktion betroffen. Möglicherweise kommt in einem zweiten Schritt auch das Personal der Entwicklung an die Reihe.

Noch wird über die Maßnahme diskutiert, aber Wörle rechnet damit, dass in den kommenden sechs Monaten zehn bis 20 Prozent des Betriebes in Kurzarbeit seien. "Um den Standort mache ich mir keine ernsthaften Sorgen", betont der Betriebsratschef. "Wir sind sehr gut aufgestellt." Schwierig sei allerdings die strategische Lage bei der verschuldeten Konzernmutter Continental und die Situation bei der ehemaligen Siemens-Autozulieferersparte VDO, die von Conti übernommen wurde.

Relativ gelassen sieht derweil ein erfahrener Projektleiter bei einem regionalen Zulieferer die Zukunft, denn bereits in der jüngeren Vergangenheit haben manche Firmen Engpässe durchlitten: "Audi hat schon immer Druck auf die Kosten gemacht", sagt der Manager und erinnert zum Beispiel an einen Budgetstopp vor mehreren Jahren, der Bremsspuren in der Zulieferindustrie hinterlassen habe. "Unsere Hoffnung liegt auf den kommenden, neuen Modellen, die bestimmt wieder gut gehen werden", meint der Projektleiter, der sich wie viele andere schon auf einen arbeitsreichen Sommer einstellt.